Lady in Rot (German Edition)
so „durchreisen“ – sie konnte nicht einfach wieder aus seinem Leben verschwinden, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Seit Ewigkeiten war er keiner Frau mehr begegnet, die seine Sinne so spontan, so intensiv und heftig ansprach – wenn es ihm überhaupt je zuvor passiert war. Daher würde er sie nicht gehen lassen, ehe er nicht herausgefunden hatte, wohin diese wahnsinnige Anziehung sie beide führen konnte. Eine Anziehung, von der er sicher war, dass auch sie in ihrem Bann stand. Da hegte er keine Zweifel. Während ihres Kusses hatte sie am ganzen Körper gebebt vor Erregung.
Und ihm war es nicht anders gegangen. Noch immer brannte die Begierde wie Feuer in seinem Blut. Doch in diesem Moment standen leider praktische Aspekte im Vordergrund.
„Aber du hast doch bestimmt Kleider im Wagen – irgendetwas Warmes, was du anziehen kannst …“
Seine Stimme erstarb, als sie nur stumm den Kopf schüttelte.
„Ich habe nichts dabei. Ich – ich habe nicht wirklich nachgedacht.“
„Auf der Durchreise“, wiederholte Vito ihre Worte und dachte hektisch nach.
„Ja, auf der Durchreise“, bestätigte sie und zitterte so stark, dass ein Wassertropfen von ihren langen Wimpern purzelte und auf ihre Nase fiel.
„Dann musst du mit mir kommen“, erklärte er. Es war kein Vorschlag, sondern eine nüchterne Tatsache, die er da äußerte. Für den Sizilianer gab es keine andere Antwort.
Doch Emily schaute ihn misstrauisch an. Sie wirkte zwar immer noch wie ein verlorenes kleines Kätzchen – aber auch das konnte scharfe Krallen haben.
„Wohin?“
„In mein Apartment …“
Mit der Hand deutete er auf den Wohnblock hinter der Strandpromenade, wo er für dieses eine Jahr eine kleine Wohnung gemietet hatte.
„Du kannst eine warme Dusche nehmen, deine Kleider trocknen …“ Noch ehe sie antwortete, erkannte Vito ihre Reaktion schon an ihrem Mienenspiel. „Nein?“
„Nein …“ Ihre Stimme klang leise, aber fest.
„Und warum in aller Welt nicht?“
Er konnte nicht glauben, dass sie jetzt tatsächlich einen Rückzieher machte. Ganz sicher war er sich gewesen, dass sie ihn auch wollte – beinahe ebenso dringend, wie er sie begehrte. Doch jetzt glich sie in nichts mehr der Frau, die er noch vor wenigen Minuten in den Armen gehalten und geküsst hatte.
Innerlich verfluchte sich Vito, dass er überhaupt aufgehört hatte, sie zu küssen. Wenn er sie einfach in sein Apartment getragen hätte – die Lippen fest auf ihre gepresst –, dann wäre sie ihm widerspruchslos gefolgt, das wusste er.
„Ich halte es nicht für klug“, antwortete Emily auf seine frustrierte Frage.
„Klug!“ Völlig entnervt strich er sich durch sein schönes dunkles Haar. „Klug! Und du glaubst wirklich, dass das in diesem Moment eine Rolle spielt?“
Er hatte das Falsche gesagt. Das sah er daran, wie ihre Augen plötzlich Funken sprühten.
„Und ob ich glaube, dass gesunder Menschenverstand eine Rolle spielt“, entgegnete sie steif. Über die warme, leidenschaftliche Frau hatte sich ein Mantel aus Eis gelegt. „Ich weiß nichts über dich! Nicht mal deinen vollen Namen kenne ich …“
„Corsentino“, schaltete er sich sofort ein, als sie gerade Atem holte, um fortzufahren. „Vittorio Corsentino, kurz Vito.“
„Soll mir das irgendetwas sagen?“
„Nein.“
Er war froh, dass sie seinen Namen nicht einordnen konnte. Kein plötzliches Verstehen, kein berechnender Blick, so wie es bei Loretta der Fall gewesen war, als sie versucht hatte, ihm ein Kind anzuhängen, das gar nicht von ihm sein konnte.
„Aber du wolltest meinen vollen Namen erfahren.“
„Und du glaubst, das reicht aus, um mich in deine Wohnung zu locken? Du könntest alles Mögliche vorhaben …“
„ Madre de dio !“, explodierte Vito. „Warum, bitte schön, sollte ich dir irgendetwas antun wollen? Ich habe dich gerettet …“
„Ja, du hast mich gerettet“, fauchte Emily, „das heißt aber nicht, dass du irgendwelche Ansprüche auf mich hast.“
„In manchen Kulturen schon“, schoss er zurück. „Wenn du ein Leben rettest, kannst du damit anstellen, was du willst.“
Das war einfach zu viel, entschied Emily. Es klang rücksichtslos, besitzergreifend und kontrollsüchtig – genau wie bei Mark! Wie hatte sie nur so dumm sein können, so leidenschaftlich auf ihn zu reagieren und ihn zu küssen? Der Schock stellte die merkwürdigsten Dinge mit einem an, und als Folge hatte sie Vito einen völlig falschen Eindruck vermittelt. Jetzt wollte er
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