Lady Lavinias Liebestraum
wenig launenhaft, wie ich dich ihm als meinen Begleiter vorgezogen habe, das weißt du ganz genau”, betonte sie und machte eine hilflose Geste.
“Ja, das weiß ich”, seufzte er. “Wenn er dir auch nur ein wenig zugetan ist, wird er nicht nachtragend sein.”
“Oh, meinst du? Sollte ich ihm meine Beweggründe mitteilen?”
“Besser nicht. Deine Erklärung käme einer Rechtfertigung gleich, und er müsste annehmen, es mache dir etwas aus. Auf diese Weise ermutigst du ihn zu stark.”
“Du bist also der Ansicht, ich sollte ihn nicht ermutigen?”
Am liebsten hätte James Lord Wincote aus ihrem Gespräch verbannt und ihr stattdessen sein Herz ausgeschüttet, doch solange sie mit diesem Mann befasst war, sah er keine Möglichkeit, sich ihr mitzuteilen, die nicht dazu führen würde, dass er, ohne zu zögern, abgewiesen worden wäre. “Ich denke nicht, dass er noch der Ermutigung von deiner Seite bedarf”, bemerkte er mit ernster Miene.
Lavinia dachte sogleich an Lord Wincotes höchst intime Bekundungen, die einem Liebesgeständnis gleichgekommen waren, und stimmte James mit einem Kopfnicken zu.
“Bist du verliebt in ihn?”
“Oh James, ich weiß es nicht. Er schaut mich in einer Weise an, dass ich, ohne es beeinflussen zu können, von Kopf bis Fuß zu zittern beginne. Und dann macht er mir so überaus charmante Komplimente …” Sie brach ab und legte gedankenvoll die Stirn in Falten.
James schluckte den Kummer, den ihre Worte in ihm erzeugt hatten, hinunter und atmete tief durch. “Solange du dir deiner Gefühle nicht sicher bist, verlange dir keine Versprechungen ab, die du später bereuen könntest.”
“Falls er so langmütig ist.”
James runzelte die Stirn. “Warum sollte er es eilig haben?”
“Ich halte ihn für ein wenig ungeduldig”, erwiderte sie vorsichtig.
“Gütiger Himmel! Er wird sich dir doch hoffentlich noch nicht erklärt haben?”
“Nun, nicht ausdrücklich, doch hat er unmissverständlich durchblicken lassen …”
“Dann musst du seine Andeutungen geflissentlich überhören.”
“Lord Wincote hat sich nicht das Geringste zuschulden kommen lassen, er ist ein wahrer Gentleman. Warum also sollte er sich mir nicht erklären, James?”
“Ich bin mir nicht sicher, ob ich die richtige Person bin für derlei Fragen.”
“Weshalb nicht? Weil du ein Mann bist?”, fragte sie verwirrt.
Er setzte ein steifes Lächeln auf. “Unter anderem. Vor allem aber stehen wir uns zu nah, als dass ich objektiv und gerecht urteilen könnte.”
Lavinia, die nichts von James’ zärtlichen Gefühlen zu ihr ahnte, verstand seine Antwort nicht, und sie fragte sich insgeheim, ob nicht gerade ihre Nähe, sein Wissen um ihre Stärken und Schwächen und um ihre Gefühle ihm nicht die beste Voraussetzung bot, eine Antwort auf ihre Frage zu haben.
“Gehe ich recht in der Annahme, dass du Lord Wincote noch immer nicht besonders leiden kannst?”
“Ich kenne ihn nicht gut genug, um ein Urteil zu fällen – du ebenso wenig. Ein Ausflug oder zwei, ein Kompliment und sein geschickter Einzug in den Londoner
ton
reichen nicht aus, um eine lebenslange Bindung einzugehen, Lavinia. Ein solcher Schritt muss gut überlegt sein, vor allem bedarf es der unbedingten Entschlussfreude auf beiden Seiten, was bei dir, wenn ich dich nicht falsch verstanden habe, keineswegs der Fall ist.” Er hielt inne und schaute Lavinia, die sehr ernst und aufmerksam gelauscht hatte, nachdenklich an. “Ich glaube, ich habe dir für heute genug der Weisheiten rund um die Ehe mit auf den Weg gegeben. Möchtest du, da wir nun außerhalb der Stadt sind, vielleicht die Zügel übernehmen?”
Ihre Miene erhellte sich unverzüglich. “Oh ja, bitte!”
Nachdem der Weg breiter geworden war und andere Kutschen sie mühelos überholen konnten, überließ Corringham der Stiefschwester, die Wincote wenigstens für eine Weile vergessen zu haben schien, obgleich dieser davon abgesehen hatte, sie zu passieren, und noch immer die Nachhut bildete, das Kutschieren, und sie trabten gut gelaunt die Finchley Road entlang.
Die Ausflugsgesellschaft fuhr nunmehr durch die mit Feldern, Bäumen und Büschen durchzogene und von grünen Hügeln geprägte Landschaft nördlich der geschäftigen Hauptstadt, bis sie schließlich einen geeigneten Rastplatz ausmachte. Dienstboten, die das Picknicklager vorzubereiten hatten, strömten ebenso eifrig aus ihren Kutschen wie die Ausflügler selbst. Man reckte und streckte sich und begrüßte einander
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