Lady Lavinias Liebestraum
anrichten, als einen Nutzen daraus zu ziehen.”
“Ach, dann bin ich wohl hierher eingeladen worden, um von Ihnen gerügt zu werden?”, erwiderte die Schauspielerin konsterniert. “Sie sollten wissen, dass dies nicht meine Idee war, sondern Sir Percys.”
“Oh, davon bin ich überzeugt. Ich ziehe auch keineswegs Ihren guten Willen in Zweifel; ich denke nur, dass wir Lady Lavinia womöglich unglücklicher machen, als sie es ohnehin bereits ist”, beschwichtigte James mit ruhiger Stimme seinen Gast und lehnte sich in den Sessel zurück. “Sie müssen wissen, dass Lady Lavinia Mr. Greatorex gestern in Stanmore House empfangen hat. Sie hatte ihn bereits Anfang des Jahres gebeten, sie bei ihrer Aufführung zu unterstützen und ihr einige seiner Schauspieler zur Verfügung zu stellen.”
Marianne setzte das Glas ab und machte ein ernstes Gesicht. “Das ändert natürlich alles. Mein Kollege würde mich bestimmt wiedererkennen, gleichwohl es einige Zeit her ist, dass wir zusammen auf der Bühne standen. Was also schlagen Sie vor?”
“Sie müssen auf der Stelle aus den Proben ausscheiden, fürchte ich. Die Folgen sind natürlich nicht auszudenken, denn Lavinia wird ohne Zweifel sehr enttäuscht sein.”
“Diese schmerzliche Erfahrung wird sie doch ohnehin machen müssen”, bemerkte Miss Doubleday ernst.
“Ja, dafür wird wohl Lord Wincote sorgen”, ergänzte Sir Percy.
Marianne nickte. “Wir sind bereits zu weit gegangen, um uns jetzt zurückzuziehen.”
James’ Blick wanderte von ihr zu Sir Percy. “Wovon sprechen Sie?”
“Lord Wincote und ich planen, heimlich aus London zu verschwinden”, erklärte sie. “Wenn unser Vorhaben bekannt wird und ich mich als Schauspielerin zu erkennen gebe, wird er sich nicht mehr blicken lassen können im Londoner
ton
, vor allem in Stanmore House nicht.”
“Das trifft dann ebenso auf Sie zu.”
Sie lachte. “Das mag sein, aber bedenken Sie, dass ich eine Schauspielerin bin. Wenn der Skandal erst einmal seine Kreise gezogen hat, wird man mein Talent zu preisen wissen. Um herauszufinden, wie weit Lord Wincote zu gehen bereit wäre, habe ich ihn neulich einfach gefragt, ob er für einige Zeit mit mir aufs Land reisen würde.”
“Wie vertraut Sie einander geworden sind, konnte man ja neulich bei ‘Hatchard’s’ sehen”, erwiderte James trocken.
“Sie waren auch in dem Buchladen?”, fragte sie verblüfft.
“Nein, Lady Lavinia sah Sie beide.”
“Oh.” Marianne runzelte besorgt die Stirn. “Ich habe ihm ein Büchlein mit Liebesgedichten gekauft, um ihn glauben zu machen, ich sei in ihn vernarrt. Bei der Gelegenheit versicherte ich ihm auch, ich sei wohlhabend genug, um uns beiden ein sorgloses, ja luxuriöses Leben zu ermöglichen.”
“Und wie reagierte er auf Ihre Beteuerungen?”
“Mit sehr großem Interesse, natürlich. Ich bin eine gute Schauspielerin, müssen Sie wissen”, antwortete sie etwas pikiert.
“Und was geschieht dann? Ich nehme an, dass Sie keineswegs so wohlhabend sind, wie Sie vorgeben.”
“Leider haben Sie recht. Sir Percy hat mir das prachtvolle Haus, in dem ich residiere, gemietet, er besorgte mir die Juwelen und stattete mich großzügig mit einer neuen Garderobe aus.” Sie seufzte. “All den Luxus werde ich später sicher vermissen.”
Sir Percy, der neben der Freundin auf dem Kanapee saß, tätschelte ihr die Hand. “Sei unbesorgt, meine Liebe, zumindest die Roben und sicher auch das eine oder andere Schmuckstück werden dir gehören. Das bin ich dir wohl schuldig.”
Marianne lächelte ihn dankbar an, wohingegen James immer ungeduldiger wurde. “Ich weiß noch immer nicht, wie Sie mit Lord Wincote verfahren werden.”
“Nun, ich werde mir einen ruhigen, gemütlichen Ort suchen und ihm die Wahrheit sagen. Ich bin ja so neugierig auf sein Gesicht.”
“Ich fürchte, es könnte nicht ganz so amüsant werden, wie Sie es sich vorstellen. Der Mann kann unter Umständen gefährlich werden.”
Miss Doubleday wurde bleich. “Wie kommen Sie darauf?”
James erzählte ihr von seinen Nachforschungen und legte ihr seinen Verdacht dar. Nach einer Weile fragte sie: “Wenn ich Sie richtig verstehe, Mylord, wollen Sie ihn auf jeden Fall als einen zwielichtigen Zeitgenossen enttarnen, falls Sie ihn nicht sogar des Mordes überführen?”
“Ja …”
“Dann müssen wir weiter so verfahren wie bisher. Wenn ich mich ihm gegenüber plötzlich gleichgültig verhalte, wird er misstrauisch”, gab sie zu
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