Lady Lavinias Liebestraum
Papa”, beeilte Lavinia sich zu betonen, während sie James einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. “Ich war ein wenig enttäuscht, dass er auf der letzten Probe nicht erschienen ist. Er hatte sich um eine sehr wichtige geschäftliche Angelegenheit zu kümmern. Er bedauerte sein Fernbleiben zutiefst, und ich habe ihm verziehen.”
“Hast du ihm irgendeine Andeutung gemacht, wie du dich entscheiden wirst?”, fragte der Duke of Loscoe beharrlich weiter, derweil James’ Stimmung immer düsterer wurde. Wie konnte sie nur so blind sein und nicht erkennen, dass Wincote ein falsches Spiel mit ihr trieb. Sie muss doch spüren, dass seine Beteuerungen nicht von Herzen kommen, dachte er bei sich.
Sie senkte den Blick. “Nein, Papa.”
Der Duke neigte sich zu ihr vor. “Aber uns kannst du doch einweihen. Immerhin müssten bestimmte Arrangements getroffen werden. Deine Mitgift, zum Beispiel …”
“Aber Papa!”, fuhr sie dazwischen. “Ich dachte, wir seien übereingekommen, dass das Geld erst nach zwei Ehejahren ausgezahlt wird.”
Er lachte. “Ich wollte ihn bei unserem ersten Gespräch lediglich auf die Probe stellen. Du hast doch nicht allen Ernstes gedacht, ich würde dich mittellos in die Ehe entlassen.”
Lavinia erbleichte. “Dies hast du hoffentlich nicht Lord Wincote gegenüber erwähnt.”
“Lavinia, der Mann hat einen ausgesprochen glaubwürdigen Eindruck bei mir hinterlassen. Dass er dich unendlich verehrt und sich nichts sehnlicher wünscht, als dich zum Traualtar zu führen, betonte er mir gegenüber mit unendlicher Ruhe und vorbildlicher Contenance. Daher ist es meiner Meinung nach unangebracht, ihn zu täuschen.”
“Dann hat er ja großes Glück, Euer Gnaden”, fügte James in bitterem Ton hinzu. Nun musste er sich nicht länger wundern, dass Wincote nicht mit Miss Doubleday aufs Land gereist war, wartete doch, da Lavinias Mitgift ihm nun doch zur Verfügung stehen würde, eine viel bessere Partie auf ihn.
Der Stiefvater schaute James verwundert an, sah indes davon ab, ihn darüber zu befragen, da seine Gemahlin ihm mit einem Blick zu verstehen gab, die Sache auf sich beruhen zu lassen. “Nun, ich habe heute ein paar Worte mit dem jungen Mann gewechselt, machte ihm allerdings noch einmal deutlich, dass die Entscheidung allein bei dir liege. Du musst wissen, was du willst.”
Lavinia lächelte. “Ja, Papa.” Bevor der Vater sie weiter befragen konnte, wandte sie sich wieder James zu. “Um auf meine anfängliche Frage zurückzukommen … Wie wäre es also mit einem Ausritt morgen früh?”
“Ich muss aber um zehn in Westminster sein”, antwortete er ob ihres Vorschlages überrascht.
“Dann treffen wir uns eben um sieben – vorausgesetzt, du kannst dich überwinden, so zeitig aufzustehen.”
“Ich werde pünktlich sein”, betonte er mit einem Schmunzeln.
James hielt Wort und betätigte den Türklopfer von Stanmore House um Punkt sieben. Lavinia, in ein überaus ansprechendes Reitkostüm gehüllt, wartete bereits auf ihn. Ihre Augen leuchteten ob der Vorfreude und Hoffnung, die sie empfand, wenn sie daran dachte, es könne sich die Gelegenheit ergeben, dass sie einander näherkamen und James sie endlich als Frau sah. Dann würde er ihr vielleicht Dinge sagen, die ihr Herz höherschlagen ließen, würde ihr offenbaren, warum er so überaus zärtlich ihre Handflächen geküsst hatte – eine Liebkosung, deretwegen sie gänzlich verwirrt gewesen war und die die süßesten Gefühle in ihr ausgelöst hatte.
“Guten Morgen, Lavinia.”
“Guten Morgen, James”, strahlte sie und hakte sich bei ihm ein, um sich von ihm zu ihrem Pferd geleiten zu lassen, welches der Stallbursche schon bereithielt.
“Möchtest du keine Anstandsdame bemühen?”
“Warum sollte ich, du bist doch mein
Bruder”
, erwiderte sie spitz ob der Enttäuschung, dass er nicht mit ihr allein sein wollte.
“Wahrhaftig”, murmelte er und schlug die Augen nieder. “Wohin möchtest du reiten?”
“Ich will in den Greenpark.”
Kaum hatten sie die Grünanlage erreicht, setzte Lavinia zum Galopp an. Für einige Minuten war es ihr vergönnt, alles, was sie bedrückte, zu vergessen – so sehr genoss sie es, wild und frei über das Gelände zu preschen. James, der einige Meter hinter ihr blieb, freute sich im Stillen an ihrem Anblick. Sie strahlte vor Glück, was sie unwiderstehlich machte. Das Verlangen, sie zu besitzen, wurde fast unerträglich für ihn, musste er doch Tag und Nacht an sie denken, wobei seine
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