Lady Marys romantisches Abenteuer
Mylord“, sagte sie, „aber das müssen Sie selbst entscheiden.“
„Vorher müssen Sie mit diesem Mylord-Unsinn aufhören“, meinte er, „und mich nur beim Vornamen nennen.“
„Gut.“ Sie verzog leicht spöttisch die Mundwinkel. „Gut, John“, wiederholte sie lächelnd.
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Dann würde ich sagen, Sie sind mutig, Mary“, sagte er, den Mund dicht an ihren Lippen. „Sehr, sehr mutig.“
Das war Grund genug, sie zu küssen, sie in die Arme zu nehmen und ihre Lippen zu verleiten, sich zu öffnen. Er spürte den Geschmack süßer Unschuld, gewürzt mit Begierde. Und keine Spur von wohlerzogenem, mädchenhaftem Widerstreben. Von Anfang an hatte er gespürt, dass sie anders war als die jungen Damen Londons, und er hatte recht behalten. Sie war mutig und hatte genauso wenig Angst, seinen Kuss zu erwidern, wie sie Angst gehabt hatte, ihn ihren Verstand erkennen zu lassen. Immer schon hatte er kluge Frauen gemocht, und eine, die auch noch so hingebungsvoll küssen konnte, gefiel ihm noch besser. Er nahm sie fester in die Arme und zog sie enger an sich. Und sie ließ die Hände auf seinen Schultern ruhen und schmiegte sich an ihn. Er konnte spüren, wie sich ihre weichen Brüste über dem steifen Korsett an ihn pressten.
Wie viel Gunst sie ihm wohl gewähren würde? Wie verwegen wollte sie wirklich sein, hier unter den Weiden?
Sein Kuss wurde hungriger, und sie erwiderte ihn mit leisem Seufzen.
Aus dem offenen Küchenfenster des Gasthauses drang das laute Scheppern eines zu Boden gefallenen Kessels oder einer Pfanne, gefolgt vom wütenden Kreischen der Köchin und dem Weinen des armen Spülmädchens. Erschrocken löste Mary sich aus seinen Armen und blickte zum Gasthof hinüber.
„Es ist nichts, Kleines“, flüsterte er und drehte ihr Gesicht wieder zu sich. „Wir sind in Frankreich, weißt du. Hier schreit jeder herum und zerbricht Geschirr.“
Lächelnd strich sie sich eine Haarsträhne zurück. „Ich befürchte, am Ende bin ich doch nicht so mutig.“
„Oh doch, das bist du“, sagte er. „Du gabst nicht nach und wolltest mich nicht das Bild kaufen lassen.“
Sie lächelte ihn vergnügt an.
„Was ich dafür bezahlt habe, war viel zu viel“, gestand sie, „aber ich habe es dir vor der Nase weggeschnappt.“
Er lachte leise. „Oh ja, in der Tat. Und du wolltest mit mir in der Diligence nach Paris durchbrennen. Ich weiß, am Ende hast du es nicht getan. Aber du hast darüber nachgedacht, und dazu gehört schon eine gute Portion Mut.“
Sie lachte ebenfalls, ein warmes Lachen, das ihn entzückte. „Du sagtest mir doch, ich sollte in meinem Leben wagemutiger werden.“
„Nun, du warst verwegen genug, das Gemälde davor zu bewahren, in die Hände eines Räubers zu fallen.“
Mary seufzte. „Das war nicht verwegen. Das war vorsichtig. Darin bin ich bereits Meisterin.“
„Aber aus der Verwirrung, die um die Kutsche herum herrschte, Vorteil zu ziehen, mit deiner Schwester zu fliehen und so euch beide davor zu bewahren, ihnen in die Hände zu fallen – das war ausgesprochen verwegen.“ Er nickte voll Überzeugung. „Ich kann mir bei keiner anderen Frau vorstellen, dass sie so entschlossen gehandelt hätte.“
Sie glaubte ihm nicht oder wollte ihm nicht glauben, was so ziemlich auf dasselbe hinauslief. „Ist das wahr?“
„Es ist wahr“, entgegnete er und ließ eine Hand über ihren Arm gleiten. Ihre Haut war unglaublich zart und fühlte sich unter seiner Hand verführerisch kühl an. „Das einzige Mal, dass ich sah, wie deine Tapferkeit ins Wanken geriet, war heute Abend beim Dinner mit deiner Schwester.“
Er fühlte, wie sie sofort erstarrte. „Wieso sollte meine Schwester mir meine Tapferkeit nehmen?“
„Ich weiß keinen Grund dafür“, sagte er und strich ihr mit dem Handrücken über die Wange.„Doch beim Abendessen warst du anders. Stiller. Trübsinniger. Bereit, dir von deiner Schwester den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen.“
Sie schob seine Hand fort. „Natürlich benehme ich mich gegenüber meiner Schwester anders, als wenn ich mit dir zusammen bin, John.“
Er lachte. „Das hoffe ich doch.“
„Das meine ich nicht“, erwiderte sie entschieden. „Ich meine, dass trotz deiner Vermutungen meine Schwester und mich eine ganz besondere Zuneigung verbindet.“
„Dann hat sie eine merkwürdige Art, das zu zeigen, Mary“, antwortete er zweifelnd. „Die Seufzer und das Klappern mit den Wimpern waren …“
„Sie
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