Lady meines Herzens
das trug nicht gerade dazu bei, ihre Gefühle zu besänftigen. Natürlich lag es an der Hitze und daran, dass die Vorbereitungen für die Hochzeit einfach weitergingen wie geplant. Clarissa würde den Mittelgang entlangschreiten, und Brandon würde am Altar auf sie warten. Sie würden einander versprechen, sich zu lieben und zu ehren und so weiter …
Aber … ja, aber! Sie konnten doch nicht einfach … Nein, nein, das durften sie nicht tun!
Sophies Herz rebellierte. Ihr Bauch krampfte sich schmerzhaft zusammen. Und atmen – das erwies sich heute als eine Herausforderung. Wie konnten bloß alle einfach weitermachen wie bisher? Clarissa liebte ihn nicht, und Lady Richmond musste doch wissen, in wen sich ihre Tochter Hals über Kopf verliebt hatte. Brandon liebte Clarissa ebenso wenig, sondern …
Nein, das musste nicht zwingend bedeuten, dass er sie liebte. Das hatte er nie gesagt, und er hatte ihr klipp und klar erklärt, wie er über dieses zarte Gefühl dachte. Wenn er die Hochzeit nicht einmal aus Liebe absagte, welchen Grund brauchte er dann?
Sie verfügte nicht gerade im Übermaß über die vier Eigenschaften, die er von einer Ehefrau erwartete. Sie war eine skandalumwitterte, im Rang weit unter ihm stehende, gesellschaftlich einigermaßen akzeptierte Zeitungsschreiberin. Dukes heirateten keine Frauen wie sie; wenn schon setzten Dukes Frauen wie sie in kleine Apartments und versorgten sie mit ausreichend Geld. Und besuchten sie spät in der Nacht.
Vielleicht … Oh, es tat so weh, sich das einzugestehen, aber vielleicht würde er Clarissa nicht ihretwegen verlassen. Sophie wusste, wie sehr er ihre Gesellschaft genoss, obwohl er sich diesen Genuss nicht eingestand. Sie wusste, dass er sie begehrte – und dass er sie nicht begehren wollte .
Aber wollte er sie mehr als dieses ruhige, wohlgeordnete und entspannte Leben, das ihm beschieden war?
Sophie schloss die Augen und zwang diese Gedanken nieder.
Lady Hamilton hielt sich ebenfalls im Hintergrund und sprach leise mit der Haushälterin. Clarissa war dazu verdonnert worden, noch einmal die Zusagen der eingeladenen Gäste durchzuzählen. Sophie wollte gerne mit ihr reden, aber sobald sie sich ihr näherte, lenkte Lady Richmond sie mit unsinnigen Fragen ab: was sie von der Tischdekoration für das Hochzeitsmahl hielt, wie viele Diener man pro Person benötigte und dergleichen Unsinn mehr.
»Das Wetter ist einfach schrecklich«, beklagte sich Lady Richmond und wedelte hektisch mit ihrem Fächer. »Die Hitze ist schier unerträglich.«
Jeder, Duchessen und Diener gleichermaßen, nickte und murmelte, das Wetter sei viel zu heiß, um angenehm zu sein.
»Möchte jemand noch ein Glas Limonade?«, bot Sophie an.
»Das wäre dann mein viertes Glas, aber ich glaube, das muss jetzt sein«, antwortete Lady Richmond. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie sich entschuldigte, um sich zu erleichtern, und das wäre Sophies Gelegenheit, mit Clarissa zu sprechen.
»Nein, nein, nein!«, rief Lady Richmond. »Die Kübelpalmen sollen doch zwischen den Fenstern stehen.«
»Ja, Euer Gnaden«, murmelte ein Diener. Er schob mit einem anderen Diener die schweren Töpfe mit den Palmen um ein paar Zoll nach links.
»Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mal etwas richtig machen würden, während ich mich einen Moment zurückziehe«, sagte Lady Richmond verbittert. Sie wedelte heftig mit dem Fächer, als sie aus dem Ballsaal rauschte. Lady Hamilton schürzte missbilligend die Lippen.
Sophie legte ihren Notizblock nebst Stift beiseite und trat zu Clarissa, die an der langen Tafel saß.
»Endlich können wir einen Moment ungestört miteinander reden«, flüsterte Sophie verschwörerisch. »Wie geht es Ihnen heute, Clarissa?«
»Ach, mir geht es gut. Und Ihnen?«, fragte Clarissa zurück. Ihre Stimme bebte. Es ging ihr eindeutig alles andere als gut.
»So gut wie Ihnen«, sagte Sophie.
»Dann fühlen Sie sich auch so zerrissen?«, fragte Clarissa.
»Ganz schrecklich.« Sophie seufzte. Clarissa schob ihr ein Blatt Papier zu, dem man ansah, dass es ständig gelesen und wieder gelesen worden war.
»Sie müssen mir einen Rat geben, Sophie.«
Sophie las den Brief.
Meine Liebste,
ich liebe Dich und kann nicht länger ohne Dich leben. Komm mit mir, lass uns gehen. Komm als meine Braut mit in mein Land. Dein Prinz will bis ans Ende seiner Tage mit seiner Prinzessin glücklich sein. Heirate mich, Clarissa.
In tiefer Liebe und ewig der Deine,
Frederick
» Oh,
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