Lady meines Herzens
Clarissa!«, rief Sophie leise. »Er hat um Ihre Hand angehalten, und trotzdem sehen Sie so traurig aus!«
»Ich muss seinen Antrag ablehnen!«, sagte Clarissa. Ein erstickter Laut entfuhr ihr, als müsste sie ein Schluchzen unterdrücken. »Ich muss Nein sagen.«
»Wegen Brandon?« Lady Hamilton blickte in ihre Richtung.
»Brandon ist nicht der einzige Grund. Es geht auch um eine familiäre Angelegenheit, über die ich nicht sprechen darf, aber diese Angelegenheit ist so … Darum muss ich …«
»Er ist ein Prinz, Clarissa. Prinzen bringen die Welt wieder in Ordnung, egal wie groß die Probleme sind«, sagte Sophie. Sie wusste schließlich Bescheid über die finanziellen Nöte der Richmonds, doch wollte sie das Clarissa nicht so deutlich zeigen. »Und er liebt Sie. Für immer und ewig.«
»Aber was ist, wenn es so kommt wie bei Tante Eleanor? Was mache ich, wenn seine Liebe vergeht und ich dann alles ruiniert habe? Was mache ich dann?«, flüsterte Clarissa panisch.
Sophie verspürte den entsetzlichen Wunsch, sie zu schütteln und zu rufen: »Es ist die wahre Liebe! Sie kann ewig dauern!« Sie wollte Clarissa zeigen, dass dies der Ausweg war, nach dem sie beide so verzweifelt gesucht hatten und den sie nehmen musste, damit es für alle ein glückliches Ende gab.
Aber es war nicht leicht, nach einem Leben blinden Gehorsams von heute auf morgen zu rebellieren. Sophie wusste, dies war der Hauptgrund, warum Clarissa nichts tat. Unglücklicherweise war jetzt kaum der richtige Moment, um sie zur Vernunft zu bringen (ihnen lief die Zeit davon!), denn aus dem Augenwinkel bemerkte Sophie, wie Lady Hamilton in ihre Richtung kam. Sophie wandte sich an Clarissa, die rasch den Brief nahm und ihn in ihr Mieder stopfte.
»Was war das?«, wollte Lady Richmond wissen. Sophie hätte fast aufgeschrien, weil die andere Duchess so überraschend wieder aufgetaucht war. Sie hatte sie nicht kommen gehört. Plötzlich waren Sophie und Clarissa umzingelt. Mit dem verbotenen Brief eines Prinzen in Clarissas Mieder, der um ihre Hand anhielt.
»Gib ihn mir, Clarissa. Lass mich nicht zweimal fragen«, befahl ihre Mutter. Die Diener und Dienstmädchen verlangsamten überall im Saal ihre Arbeit und verstummten. Alle blickten in ihre Richtung.
»Das ist nichts, Mutter.« Clarissa war, wie man es erwarten konnte, eine miserable Lügnerin. Sie starrte auf den Boden und wurde knallrot.
»Dann hast du sicher kein Problem damit, mir dieses Nichts auszuhändigen«, sagte Lady Richmond. Ihre Stimme hallte von dem gebohnerten Parkett und der hohen Decke wider. Die Akustik in diesem Raum ist wirklich bemerkenswert, dachte Sophie.
»Wirklich, das ist unwichtig, Mutter. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, murmelte Clarissa. Sophie biss sich auf die Lippe.
»Lady Richmond, ich bin sicher, es ist nichts, um das sich diese Aufregung lohnt«, mischte Lady Hamilton sich ein. Sie klang sehr aristokratisch: befehlsgewohnt und zugleich höchst vornehm.
»Ich empfehle Ihnen, sich um Ihre eigenen Kinder zu kümmern und die Sorge um meines mir zu überlassen«, schnappte Lady Richmond. Es war ihr egal, was andere über sie dachten. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Tochter. Es genügte ein strenger Blick, der auch Sophie Angst eingejagt hätte. Gehorsam händigte Clarissa ihr mit Tränen in den Augen den Brief aus.
» Mein Liebling, blablabla. Heirate mich, blablabla. In tiefer Liebe und ewig der Deine, Frederick. Ein Heiratsantrag?«, fragte Lady Richmond und blickte ihre Tochter anklagend an.
»Das ist meiner. Er ist an mich gerichtet«, stieß Sophie hervor.
»Miss Harlow, halten Sie mich für eine Idiotin?«
Sophie verzichtete auf eine Antwort.
»Aha, Sie sind so klug, darauf nicht zu antworten. Ich weiß schließlich, dass Frederick dieser verfluchte Deutsche ist, der ständig mit meiner Tochter tanzt. Ich toleriere das nur, weil er in der Gesellschaft allseits beliebt ist und es einen schlechten Eindruck machen würde, wenn ich dagegen einschritte. Und das, obwohl ein Deutscher einst meinen Vater ermordet hat. Ich schätze diese Leute nicht besonders.«
»Mutter …«, setzte Clarissa an.
»Lady Hamilton, es ist mir schrecklich peinlich, dass Sie diese Episode miterleben müssen. Clarissa wird auf der Stelle ihre Absage formulieren.«
»Aber was ist, wenn sie den Antrag annehmen möchte?«, fragte Lady Hamilton. Ruhig fächelte sie sich frische Luft zu. Sophie musterte die Duchess überrascht.
»Ich versichere Ihnen,
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