Lady meines Herzens
Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass sein Kopf unabhängig von dem Gehämmer schmerzte, das vermutlich von den Dienern stammte, die alles für seine Hochzeit vorbereiteten. Morgen. Eine Welle der Übelkeit stieg in ihm auf.
Und langsam erinnerte er sich auch wieder an einzelne Bruchstücke vom Vorabend.
Er war bei White’s gewesen und hatte getrunken. Roxbury hatte ihm Gesellschaft geleistet, und dann war von Vennigan hinzugekommen. Aber hauptsächlich hatte er sich betrunken und nachgedacht. Er erinnerte sich ganz genau, dass er sehr erfreut gewesen war über seine Einsichten und die erstaunlichen Erkenntnisse, die er über sich selbst und seine Situation gewonnen hatte. Unglücklicherweise war das auch alles, woran er sich erinnerte.
Eins stand fest: Er war zu einem verruchten Leben verführt worden, und dieses Leben passte nicht zu ihm. Brandon beschloss, so schnell wie möglich wieder zu seinen nüchternen und gesitteten Gewohnheiten zurückzukehren.
Er war ein Gentleman, der sich stets angemessen und vollständig kleidete (kein Herumtreiben ohne Krawatte mehr!), der einen kühlen Kopf behielt und sich nicht der Trunksucht und emotionalen Ausbrüchen hingab. Ein Mann, der sich nicht wegen einer Frau zum Narren machte.
Letzte Nacht war er in all diesen Belangen kläglich gescheitert.
Ein Trost aber blieb ihm: Er hatte sich nicht verliebt, hatte sein Herz nicht verschenkt. Man konnte sich von den Nachwirkungen von übermäßigem Alkoholgenuss nach einem Tag erholen; Liebeskummer zu überwinden, dauerte länger. Aber er würde nicht an Liebeskummer leiden, weil er sich nicht verliebt hatte. Tatsächlich erinnerte er sich noch sehr deutlich daran, wie er Roxbury und von Vennigan einen Vortrag gehalten hatte, bei dem es um eben dieses Thema ging.
Er hatte irgendetwas darüber erzählt, warum er sich nie verlieben würde und dass die Welt stehen bliebe oder gleich unterginge, falls es doch passierte. Brandon stöhnte auf, weil er sich an die Antwort der beiden Männer erinnerte: hysterisches Gelächter.
Die Tür zu seinem Schlafgemach öffnete sich.
»Guten Morgen, Euer Gnaden!«, begrüßte Jennings ihn gut gelaunt.
»Guten Morgen, Euer Gnaden!«, echote Spencer.
»Was ist los?«, fragte Brandon irritiert.
»Aber Euer Gnaden, wir kommen doch jeden Morgen um acht Uhr zu Ihnen«, sagte Spencer.
»Ich helfe Ihnen beim Ankleiden, während Sie mit Spencer all die langweiligen Pflichten und wichtigen Verabredungen durchgehen, die Sie im Laufe des Tages erwarten«, erklärte Jennings.
»Ist Ihnen nicht wohl, Euer Gnaden?«, fragte Spencer.
»Es geht ihm gut, er hat gestern Abend nur zu viel getrunken. Ich habe seit Jahren auf diesen Moment gewartet«, sagte Jennings. Er klatschte in die Hände und strahlte.
»Kein Klatschen und keine lauten Geräusche, sonst entlasse ich Sie«, murmelte Brandon.
»Natürlich, Euer Gnaden. Wollen wir einfach weitermachen wie bisher?«, schlug Spencer vor.
»Sagen Sie mir, was mich heute erwartet, Spencer«, murmelte Brandon.
»Ihre Schwestern werden heute Nachmittag mit ihren Männern und Kindern eintreffen. Ihre Familie wird heute Abend mit den Richmonds dinieren. Wenn ich das in meinen Unterlagen richtig sehe, haben Sie noch keine Sondergenehmigung eingeholt, noch keinen Trauzeugen benannt und noch keine Ansprache für das Hochzeitsessen geschrieben. Wie ich Sie kenne, muss das auf eine Ungenauigkeit meinerseits zurückzuführen sein …«
Brandon war schlagartig hellwach.
Er hatte die Sondergenehmigung nicht besorgt.
Tatsächlich hatte er überhaupt keine Genehmigung besorgt, ob nun besonders oder nicht.
Er glaubte, er müsse sterbenskrank sein – entweder war der Alkohol daran schuld oder seine mangelnde Vorbereitung auf den großen Tag. Vielleicht glaubte er das auch nur, weil seine Mutter in diesem Moment in sein Schlafgemach platzte. Er zog die Laken nach oben, um seine nackte Brust zu bedecken.
»Ich möchte gerne mit meinem Sohn sprechen. Allein.«
Spencer und Jennings verließen fluchtartig das Gemach.
»Du hast dich gestern betrunken. Du betrinkst dich nie«, begann seine Mutter.
»Ich bin ein erwachsener Mann, und es ist mir durchaus gestattet, hin und wieder über die Stränge zu schlagen«, sagte er missmutig. Er klang wie ein Schuljunge und nicht wie ein Erwachsener.
»Natürlich darfst du das. Ich mache mir nur Sorgen über den Zeitpunkt deiner Ausschweifungen«, sagte sie.
»Ich lebe wenigstens einmal wie ein Junggeselle, ehe ich
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