Lady meines Herzens
Vennigan.
»Da hat er recht«, sagte Roxbury. »Der für seine Zurückhaltung berühmte Duke hat sich gehen lassen. Betrunken, mit gelöster Krawatte und geöffneter Weste. Du bist sogar ziemlich betrunken, und das alles nur wegen einer Frau. Es ist zu spät. Du hast dich verliebt.«
»Ich möchte betonen …«
»Je eher du es dir eingestehst, umso eher können wir nach einem Ausweg suchen, damit du Clarissa nicht heiraten musst. Die Hochzeit ist schließlich in weniger als sechsunddreißig Stunden.«
»Es gibt noch so viel anderes zu bedenken. Wenn Sie älter sind, von Vennigan, werden Sie mich vielleicht verstehen«, meinte Brandon. Schreckliche Geheimnisse und Lügen zum Beispiel. Die den Ehevertrag null und nichtig machen würden, falls er geruhte, diese Geheimnisse zu offenbaren.
»Ich bin inzwischen alt genug, um zu wissen, was ich will. Vor allem: wen ich will.«
»Aber wissen Sie auch, wie man Verantwortung übernimmt? Wie man seine Pflicht tut, sich mit weniger zufriedengibt, mit Schulden umgeht oder mit Betrug? Ihr Herz und Ihr Verstand sind das Letzte, was mir Sorgen bereitet.«
»Ich werde es lernen«, erwiderte von Vennigan. »Sie haben es auch gelernt. Schließlich können Sie unmöglich mit dem Gewicht der Welt auf Ihren Schultern geboren worden sein.«
Das stimmte, Brandon wurde nicht damit geboren. Das Gewicht der Welt war in jener stürmischen Dezembernacht auf seine achtzehnjährigen Schultern gelegt worden, in der sein Vater bei einem Kutschunfall gestorben war. An jenem Abend hatte Brandon viel verloren: seinen Vater, seine Unschuld, seine Freiheit – und den Wunsch, jemals wieder zu lieben.
Kapitel 41
Richmond House
Früher an diesem Abend
Clarissa öffnete die Tür zum Schlafgemach ihrer Mutter, ohne zu klopfen oder hergebeten worden zu sein. Ihre Mutter saß am Toilettentisch und bürstete ihr Haar aus. Es war so lang und golden wie Clarissas und wie das Haar der lieben, verstorbenen Tante Eleanor und aller anderen Frauen auf ihrer Seite der Familie.
»Warum?«, fragte Clarissa. Nach stundenlangem Weinen klang ihre Stimme rau.
»Es freut mich zu sehen, dass du dich inzwischen so weit erholt hast, um dein Schlafgemach zu verlassen. Vielleicht kleidest du dich morgen früh an und frühstückst wieder mit uns.«
»Warum darf ich Frederick nicht heiraten?«, fragte Clarissa erneut.
»Darüber möchte ich nicht sprechen.«
Ihr Leben lang war sie stets eine gehorsame und sanftmütige Tochter gewesen. Dies war der richtige Zeitpunkt, um ihre eigene Stimme und ihren Mut zu finden. Sie dachte an Fredericks Kuss und wie glücklich er gewesen war, als sie ihm sagte, dass ihr der Kuss überaus gut gefallen hatte. Sie konnte das hier aus eigener Kraft schaffen.
»Warum nicht? Er ist reich, und er liebt mich. Wir könnten zusammen glücklich werden«, schrie Clarissa. »Warum darf ich ihn nicht heiraten, obwohl ich ihn liebe?«
»Du verhältst dich über die Maße dramatisch, Clarissa. Erspare es mir bitte …«
»Ach, jetzt wirst du wieder die liebe, verstorbene Tante Eleanor ins Feld führen, stimmt’s? Nur weil sie nicht so viel Glück hatte, heißt das noch lange nicht …«
»Das ist keine nette Art, über deine Mutter zu reden!«
Der Ausdruck, der sich auf Lady Richmonds Gesicht abzeichnete, verriet Clarissa, dass ihre Mutter das nicht hatte sagen wollen. Zumindest nicht so.
»Was hast du gesagt?«
»Setz dich, Clarissa. Ich bin es leid, dieses Geheimnis für mich zu behalten. Du sollst nun endlich erfahren, warum du Lord Brandon heiraten musst.«
Clarissa ließ sich auf dem Sofa vor dem Kamin nieder, in dem kein Feuer brannte. Die Hitzewelle, die über der Stadt lastete, dauerte noch immer an. Trotzdem fröstelte Clarissa.
»Du bist nicht mein Kind, Clarissa. Du bist der Bastard von Eleanor. Dein Vater war ein Charmeur, gerade so wie dein Prinz, der einfach eine Zeit lang den Spaß genoss, den meine Schwester ihm bot. Sie starb bei deiner Geburt.«
Unwillkürlich glitt Clarissas Blick zu dem Porträt der beiden Schwestern über dem Kamin. Es handelte sich um eines der wenigen Gemälde, die nicht verkauft worden waren. Clarissa konnte die Tochter beider Frauen sein, denn beiden war das glatte, goldene Haar ebenso zu eigen wie die weit auseinanderstehenden Augen und die Porzellanhaut. Das Bild bewies nichts. Höchstens, dass diese Enthüllung durchaus im Rahmen des Möglichen war.
»Ich war damals schon ein paar Jahre verheiratet, und inzwischen war mir klar, dass ich
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