Lady meines Herzens
sesshaft werde«, behauptete er.
»So ein Blödsinn.«
»Mutter!«
»Wie um alles in der Welt konnte ich bloß so einen Spielverderber großziehen? Du bist doch nicht immer so gewesen. Eigentlich warst du früher ein kleiner Teufel«, erinnerte sie ihn. »Weißt du noch, wie viel Spaß wir als Familie hatten? Wir waren eine lebhafte Bande, obwohl es so lange her ist, seit wir alle unter einem Dach zusammenlebten …«
»Seit Vater starb, war es nicht mehr so.«
»Höchste Zeit, dass wir mal ein ernstes Gespräch führen.«
»Ich glaube, ich werde krank«, sagte er und schloss die Augen.
»Ich glaube, du wirst mir jetzt mal zuhören«, erwiderte sie fest. »Dein Vater wäre so stolz darauf, wie du mit der Verantwortung umgehst, die unsere Güter und deine Stellung als Oberhaupt der Familie mit sich bringen. Ich bin jedenfalls stolz auf dich. Du bist ein starker, verlässlicher Mann, Brandon. Aber dein Vater wäre schrecklich enttäuscht von dir, wenn du dir deine große Liebe entgehen lassen würdest.«
Brandon öffnete die Augen und blickte seine Mutter an. Ihre Wangen waren gerötet, die Augen strahlten. Sie meinte das wirklich ernst!
Er hatte es immer gehasst, jemanden zu enttäuschen. Wenn sein Vater ihn zu sich zitierte und seine Ansprache mit einem »Ich bin sehr enttäuscht von dir, Sohn« beendete, war das für ihn eine schlimmere Strafe als eine Woche bei Wasser und Brot auf dem Dachboden. Zumindest hatte er sich das so vorgestellt, denn erstens war er immer brav gewesen, und zweitens hatten seine Eltern ihn nie grausam behandelt. Tatsächlich waren sie sehr liebevoll gewesen.
Aber was die große Liebe anging und den Umstand, dass er sie sich entgehen ließ … Nun, das war ein Opfer, das zu bringen er bereit war.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Brandon.
»Tu nicht so«, erwiderte sie scharf. »Du musst mir jetzt nicht antworten, aber hör mir gut zu. Dein Vater und ich waren vom ersten Tag unserer Begegnung bis zu seinem Todestag bis über beide Ohren ineinander verliebt. Ja, es hat mich am Boden zerstört, ihn zu verlieren, du hast es selbst miterlebt. Als er noch lebte, war nicht jeder Tag eitel Sonnenschein. Aber ich würde nicht eine Sekunde des Kummers nach seinem Tod eintauschen wollen, solange mir nur die langen Jahre an seiner Seite bleiben. Mit ihm habe ich diese wohlgeratene Familie geschaffen.«
Brandon nickte. In seinem Magen bildete sich ein schmerzhafter Knoten, und auf seine Brust legte sich ein lastender Druck. Es war damals so verdammt schön gewesen – ein Haus, in dem viel gelacht wurde, in dem die Kinder riefen und ein Duke ihnen Gutenachtgeschichten vorlas und die Duchess mit ihren Töchtern und ihren Puppen Teestunden abhielt. Und die Küsse! Jetzt erinnerte er sich wieder, dass seine Eltern sich ständig geküsst hatten.
Sie waren glücklich gewesen. Richtig glücklich.
»Ich will einfach, dass du dich daran erinnerst und dann noch einmal nachdenkst, wen du morgen heiraten willst«, erklärte sie ihm.
»Mutter, es ist doch bereits beschlossene Sache …« Er hatte den Ehevertrag unterschrieben. Er hatte sein Wort gegeben. Er kannte Clarissa zu gut, um sie zu verstoßen und dem Spott der ganzen Welt auszusetzen, und auf von Vennigan konnte er sich nicht verlassen.
Aber Sophie … Erneut wurde er vom Schmerz übermannt. Wenn sie ihn so gut kannte, wieso konnte sie dann nicht verstehen, warum er sein Wort halten musste?
Wenn er Clarissa verließ, wäre er nicht der Mann, den Sophie liebte. Wenn er Clarissa nicht verließ, wäre er der Mann, den sie liebte und der ihr das Herz brach. Er konnte einfach nicht gewinnen.
Wenn er stärker wäre und sein Kopf nicht so sehr schmerzen würde, würde er seinem Ärger über diese Ungerechtigkeit lautstark Luft machen. Nein, eigentlich würde er das nicht tun, weil es ziemlich unzivilisiert wäre. Als Gentleman musste er diesen Wunsch unterdrücken.
»Nein, Brandon, es ist noch nicht zu spät«, sagte seine Mutter und seufzte gereizt. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss Miss Harlow ihren Notizblock zurückbringen.«
»Du hast ihren Notizblock?«, fragte Brandon. Sie kritzelte ständig etwas hinein. Er war schrecklich neugierig, was sie darin notierte.
»Ja. Sie hat ihn gestern hier vergessen.«
»Sie vergisst ständig irgendwas«, sagte er und lächelte bitter.
»Ja? Was weißt du noch über sie?«
»Sie sagt immer genau das Richtige, um mich zum Lachen zu bringen, wenn ich alles zu ernst
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