Lady meines Herzens
undenkbar, dass sie die Rolle als ehebrecherische Dritte einnahm.
Selbst jetzt, ein Jahr nachdem Matthew sie vor dem Altar stehen gelassen hatte, verkrampfte sich ihr Magen allein bei dem Gedanken an diesen schrecklichen Tag. Die Demütigung war nach ein paar Wochen nicht mehr so schlimm gewesen. Danach hatte sie einige Monate lang ständig zwischen ungläubigem Schweigen und heftigem Weinen geschwankt. Auch das war Gott sei Dank irgendwann vorbeigegangen. Doch ihr war die entsetzliche Angst geblieben, es könnte wieder geschehen.
Hochzeiten waren geschmacklos. Wie konnte jemand so sehr lieben, dass er den Mittelgang der Kirche entlangschritt? Das war ihr völlig unerklärlich. Dass ihr Handeln einer anderen Frau denselben Schmerz zufügen konnte, musste sie unter allen Umständen verhindern.
»Du hast recht. Ich sollte sämtliche Gefühle amouröser Natur einfach von mir weisen«, erklärte Sophie. Vielleicht war es ja so einfach. Sie bezweifelte es insgeheim, aber es kam auf einen Versuch an. Sie nahm noch einen Bissen Kuchen.
»Worüber diskutieren Sie denn hier so angeregt, meine Damen?« Lady Jane kam zu ihnen herübergeflattert und hockte sich auf einen Stuhl neben dem Sofa. Sie war eine zierliche Frau mit hellbraunem Haar und hellblauen Augen.
»Lady Jane, glauben Sie, es ist möglich, romantische Gefühle für eine unpassende Person einfach aufzugeben?«, fragte Sophie.
»Na, das ist doch mal eine spannende Frage, Miss Harlow!«, sagte Lady Jane. Sie lächelte. »Jocelyn, ich vermute, du wirst zu dem Thema etwas zu sagen haben.«
»Ich glaube, wenn jemand einen Weg fände, diese Gefühle verschwinden zu lassen, würde er ein Vermögen damit machen. Ich persönlich wäre dann allerdings ruiniert«, verkündete Jocelyn Kemble, eine gefeierte und beliebte Schauspielerin.
Alle Anwesenden im Salon stimmten in ihr Lachen ein.
»All die Wüstlinge, die sich in London herumtreiben, hätte plötzlich keine eifrigen Bewunderinnen mehr«, fügte Jane hinzu.
»Geläutert aus Mangel an Möglichkeiten!«, warf der berühmte und beliebte Schauspieler Julian Gage ein und erntete noch mehr Gelächter. Das Gerede über geläuterte Lebemänner ließ Sophie wieder an Brandon denken. Gar nicht gut.
»Stellt euch nur vor, es gäbe ein Tonikum, um unpassende Zuneigung zu heilen«, überlegte Jameson Wright. Es war nur natürlich, dass er auf diesen Gedanken kam, denn die Wissenschaft faszinierte ihn, und gelegentlich ließ er den Salon an seinen Experimenten teilhaben. Wenn es stimmte, was er erzählte, hatte er schon Tränke für und gegen alles Mögliche gebraut.
Sophie vermutete, sie könnte ein solches Tonikum durchaus brauchen, obwohl sie seine Wirkkraft zugleich bezweifelte.
»Es würde sich wunderbar verkaufen. Besorgte Eltern, gehörnte Ehemänner und eifersüchtige Frauen würden danach greifen«, bemerkte Alistair Grey, der ebenfalls für die London Weekly schrieb, ein guter Freund der Schreibenden Fräulein war und sie häufig ins Theater begleitete.
»Aber worüber sollten die Dichter dann noch schreiben?«, fragte ein Dichter.
»Und wie sollten die Einwohner von Gretna Green ihr Auskommen finden, wenn niemand mehr durchbrennt?«, fragte Jack Sinclair. Er war der zweitgeborene Sohn eines Barons und bekennender Lebemann.
»Und würden die Geschäfte für Bierbrauer und Gastwirte dann besser oder schlechter laufen?«, fragte sich Jonathan Harris, ein netter, gut aussehender Anwalt. Er war die Art Mann, in die eine Frau sich verlieben sollte, aber in den sich nie eine Frau verliebte. Sophie bedachte ihn mit einem Lächeln und wünschte insgeheim, sein Lächeln könnte ihr Herz so zum Rasen bringen wie Brandons Lächeln.
»Kurz gesagt, es wäre ein wirtschaftliches Desaster, wenn unpassende Liebe einfach zu heilen wäre«, fasste Lady Jane zusammen.
»Nur nicht für die Person, die das Mittel verkauft. Sie wäre schon bald im Besitz eines Vermögens«, sagte Jocelyn. Zum Vergnügen aller Anwesenden klimperte sie Jameson Wright verliebt an. Er reagierte darauf, indem er bloß leicht die Augenbraue hob.
»Es ist also unsere patriotische Pflicht, uns in all jene zu verlieben, die wir nicht lieben dürfen: Lebemänner, Wüstlinge, Verheiratete, Verlobte«, verkündete Alistair.
»Jene, die weit über uns stehen«, fügte Sophie hinzu und hoffte, ihre Stimme verriet nichts von ihren Gefühlen.
»Oder jene, die weit unter uns stehen«, fügte jemand hinzu.
»Jene, die sich der Trinkerei, Hurerei und dem
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