Lady meines Herzens
ihrer Freundin, die mit weit aufgerissenen Augen lauschte, die ganze Szene. Sie erzählte, wie ihre Köpfe zusammengestoßen waren und natürlich auch von der Liste mit den Wünschenswerten Eigenschaften einer Ehefrau . Julianna fand an Letzterem besonders großen Gefallen.
Den Teil mit der Umarmung und wie sehr es sie verlockt hatte, ihn zu küssen, ließ Sophie aus – auch wenn sie nicht wusste, warum sie das verschwieg. Der Augenblick war so außergewöhnlich gewesen, dass sie sich keine Vorhaltungen anhören wollte, wie unangemessen ihr Verhalten gewesen war. Sie wollte die Erinnerung für sich behalten und als etwas Besonderes bewahren.
Ihr Bauch begann zu schmerzen. Sie sagte sich selbst, das läge am Tee, obwohl Schuldgefühle der wahrscheinlichere Grund waren.
»Ich nehme an, du hast versucht, die Story aufgrund von Befangenheit abzugeben?«, fragte Julianna.
»Natürlich. Mr Knightly hat abgelehnt. Er meinte, dann könne er Mitch Radnor auch gleich erlauben, nur noch über die Sportereignisse zu berichten, bei denen sein Team, sein Favorit oder sein Lieblingspferd gewinnt.«
»Männer und ihr Sport«, spöttelte Julianna und verdrehte die Augen.
»Ich bin nicht sicher, ob man meine Situation wirklich mit einem Pferderennen oder einem Boxkampf vergleichen kann. Aber ich kann seinen Standpunkt verstehen«, sagte Sophie. Sie musste für die Zeitung leiden und über die Hochzeit berichten, auch wenn es sie einiges an Nerven kosten würde.
»Natürlich solltest du aufhören, irgendwelche Gefühle für ihn zu entwickeln. Wirklich, du solltest keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden«, sagte Julianna. Als könnte man Gefühle einfach abschalten.
Sophie stimmte ihr trotzdem zu, obwohl sie wusste, dass es viel komplizierter war. Ja, er war so gut wie verheiratet. Das bedeutete, dass sie ihren romantischen Gefühlen für ihn keinen Ausdruck verleihen durfte. Das war leicht; ihre Gefühle selbst aber waren weit weniger beherrschbar.
Er machte sie einfach so neugierig. In der einen Minute gab er sich noch reserviert und war eine beeindruckende Erscheinung, nur um im nächsten Augenblick zu lachen und mit ihr zu schäkern. Und dann war da noch diese gemeine Anziehungskraft, die er auf sie ausübte. Darüber konnte sie wohl kaum mit jemandem reden. Es war dieses überwältigende Gefühl, von ihm in den Armen gehalten zu werden und ihn zu küssen und in dieser langen, hitzigen Umarmung die ganze Welt um sie herum zu vergessen …
Julianna entging Sophies Zögern nicht, und vielleicht bemerkte sie sogar die zarte Röte, die Sophies Gesicht überzog, weil sie von Schuldgefühlen und ihrer Leidenschaft gleichermaßen erhitzt war.
»Sophie! Das darfst du nicht. Er ist verheiratet oder zumindest so gut wie.«
»Ich weiß«, sagte Sophie. »Ich weiß …«
Sie würde ja auch nur über jedes noch so kleine Detail seiner erstaunlich unromantischen Verlobung und der von allen Seiten erwarteten Hochzeit berichten.
»Eine so wichtige Verbindung wird keine Seite lösen«, fuhr Julianna mit fester Stimme fort. »Und ich hasse es, das sagen zu müssen, aber selbst wenn er die Verbindung löst, Sophie, würde er es nicht für jemanden wie uns tun. Er ist schließlich ein Duke.«
»Ich weiß.« Sophie war nur die Tochter eines kleinen Landadeligen und würde niemals zu den großen gesellschaftlichen Ereignissen geladen, wenn sie nicht ihrer skandalösen und sensationellen Profession als Reporterin für die London Weekly nachgehen würde.
Julianna war eine verwitwete Baroness und darum bei den Veranstaltungen der guten Gesellschaftwillkommen. Mancher argwöhnte, sie sei die anonyme Autorin der »Geheimnisse der Gesellschaft«, ohne dass es dafür Beweise gab, aber allein die Vermutung öffnete ihr Tür und Tor.
Selbst wenn man von den Feinheiten einmal absah, besaß Sophie keine Stellung oder Herkunft, die sie zur zukünftigen Duchess qualifizierte. Vielleicht hätte sie eine Chance, wenn er sich in sie verlieben und alle Vernunft und Logik beiseiteschieben würde. Aber der Duke hatte heute unmissverständlich klargemacht, dass Liebe für ihn keine Option war.
»Das bedeutet für dich nichts als Kummer. Oder bestenfalls ein Leben als seine Mätresse, und das darfst du nicht tun, Sophie«, flehte Julianna. Ihr verstorbener Ehemann war ein untreuer Schuft gewesen, und davon hatte Julianna sich bis heute nicht erholt.
Da sie selbst wegen einer anderen Frau sitzen gelassen worden war, wusste Sophie, wie weh es tat. Es war
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