Lady meines Herzens
ihm diese Diskussionen durchaus vertraut waren.
»Zum Schluss brauche ich noch deinen Rat«, sagte Roxbury. »Lady Derby hat den Eindruck gewonnen, ich würde sie zu deiner Hochzeit mitnehmen.«
»Und wo liegt das Problem?«
»Lady Belmont nimmt an, ich werde deine Hochzeit mit ihr besuchen«, sagte Roxbury. Er wirkte etwas verlegen bei dem Eingeständnis, dass er nicht bloß eine, sondern zwei Witwen verführt hatte.
»Und jetzt brauchst du meinen Rat, mit wem du kommen sollst?«, fragte Brandon.
»Oder weißt du eine Möglichkeit, wie ich es schaffe, keine von beiden zu begleiten? Wenn man mit einer Lady bei einem Ereignis dieser Größenordnung auftaucht, geht man eine gewisse Verpflichtung ein. Man könnte glauben, wir stünden uns näher, als es tatsächlich der Fall ist. Das kann ich nicht riskieren.«
»Nun ja, ich vermute außerdem, es könnte die Freundschaft der beiden fraglichen Ladys ruinieren, wenn du mit einer von ihnen öffentlich auftrittst und mit der anderen nicht«, sagte Brandon.
»Eigentlich sind sie inzwischen Todfeindinnen. Das kommt meinem Vorhaben im Grunde entgegen. Ich weiß, dass sie nicht mehr miteinander reden. Sie werden also nie herausbekommen, dass ich sie abwechselnd in ihren Betten besuche.« Roxburys Grinsen war verflucht breit und ungeheuer selbstgefällig.
»Ich bin entsetzt«, erklärte Brandon. »Allerdings nicht im Geringsten überrascht. Ich kenne dich schließlich gut genug, und dieses Vorgehen zeugt von deiner Intelligenz.«
»Jemand muss dein perfektes Benehmen ja ausgleichen«, stichelte Roxbury. »Also? Wie komme ich aus der Sache heraus?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich könnte dich bitten, mein Trauzeuge zu werden. Damit wäre es dir unmöglich, eine Krankheit vorzuschützen und der Zeremonie einfach fernzubleiben.«
»Du hinterhältiger Bastard«, sagte Roxbury. Aber er lächelte.
Brandon machte sich auf den Weg nach Hause. Es war ein schöner, lauer Sommerabend. Fast wie an jenem Tag, als er Sophie das erste Mal begegnet war. Vielleicht gelang es ihm, die Stelle wiederzufinden, an der aus seinem schnurgeraden Weg, auf dem er bisher vorangeschritten war, jene zunehmend kurvige, wirre Straße geworden war, auf der seine Gedanken und – verflucht! – Gefühle miteinander rangen.
Clarissa bot ihm alles, was er sich von einer Ehefrau wünschte. Mit ihr konnte er ein stilles, ruhiges und unbeirrtes Leben führen. Er würde für sie sorgen, aber er würde sie nie lieben. Das würde ihn vor seelischen Verheerungen bewahren, falls er sie irgendwann verlor.
Abenteuer gehörten in Romane. In seinem Leben hatten sie keinen Platz.
Aber Sophie rührte etwas in ihm an. Sie schaffte es, ihn allein mit einer witzigen Bemerkung oder dem Blitzen ihrer Augen zum Lachen zu bringen. Sie war wie ein Lichtfunke, der die Dunkelheit erhellte, in der er bisher gelebt hatte. Sie brachte den früheren Brandon wieder ans Tageslicht. Und natürlich war da noch die unbestreitbare Tatsache, dass er sie verführen und sie auf die natürlichste und intimste Art in Besitz nehmen wollte.
Natürlich hatte er schon zuvor in seinem Leben Lust empfunden und sie in der Vergangenheit auf diskrete Art und Weise ausgelebt, doch intensive Gefühle, wie Sophie sie in ihm weckte, waren ihm bislang völlig fremd gewesen.
Brandon befürchtete, dass Roxbury sich irren könnte. Es lag nicht daran, dass sie ihm zu diesem verflixt ungünstigen Zeitpunkt über den Weg gelaufen war. Es lag an Sophie. Wie man es drehte und wendete, eine Affäre kam für ihn nicht infrage. Genauso wenig konnte er Clarissa den Laufpass geben. Er war ein Ehrenmann. Ein Mann, der zu seinem Wort stand. Die Eheverträge waren unterzeichnet und die Verlobung öffentlich gefeiert worden. Es gab für ihn kein Zurück mehr.
Kapitel 17
Noch vierzehn Tage bis zur Hochzeit …
St. George’s Church
Hanover Square, London
Die Hochzeit des Marquess of Winchester mit Miss Victoria Selby konkurrierte mit der von Brandon und Clarissa um den Titel als Hochzeit des Jahres. Der Bräutigam war ein sehr angesehener Marquess; die Braut war die Tochter eines Earls. Außerdem handelte es sich um eine Liebesheirat.
Wie gewöhnlich saß Sophie am äußeren Ende einer Bankreihe, möglichst weit vom Mittelgang entfernt, wo die Braut entlangschreiten würde. So konnte Sophie unbemerkt verschwinden, falls es nötig war.
Julianna begleitete sie auch heute, wie sie es oft tat. Zum einen, weil sie Material für ihre eigene Kolumne sammeln wollte,
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