Lady meines Herzens
und zum anderen, um sich um Sophie kümmern zu können.
»Es gibt keinen Grund, jetzt schon unruhig zu werden«, sagte Julianna. Aber Sophie war trotzdem nervös. Näherin oder Dienerin, Gouvernante oder Mätresse …
Diese Hochzeit war anders als alle bisherigen. Brandon war zugegen. Sie beobachtete sein Eintreffen und wie er seinen Platz einnahm. Er saß am anderen Ende derselben Bankreihe, in der sie Platz genommen hatte. Wenn sie sich ein bisschen nach vorne beugte und beiläufig in seine Richtung schaute …
Sie erregte seine Aufmerksamkeit und lächelte, wenngleich ihr Lächeln etwas gequält war. Hochzeiten regten sie immer auf, und hier erinnerte sie zudem alles an seine bevorstehende Vermählung. Allein ihn zu sehen, ließ sie daran denken, und das machte alles nur noch schlimmer.
Konzentrier dich , schalt sie sich. Atme.
»Näherin oder Dienerin … ach, verflixt und zugenäht«, murmelte sie. Heute half der Spruch ihr nicht weiter.
Sophie hatte ihren Bleistift und den Notizblock schon hervorgeholt, um jedes Detail der Zeremonie sofort zu notieren: die Namen der Angehörigen der Braut, was sie trugen, ob etwas Ungewöhnliches passierte. Am meisten interessierte sie aber, wie sich Braut und Bräutigam einander gegenüber verhielten.
Sie hatte schon ein paar Notizen gemacht: Liebesheirat, rosafarbene Rosen und Orangenblüten, überfüllte Kirche, nur noch zwei Wochen, um …
Zwei Wochen um was? Wollte sie Lord Brandon in dieser kurzen Zeit davon überzeugen, seiner perfekten Verlobten den Laufpass zu geben? Noch dazu für eine kleine Zeitungsschreiberin? Oder blieben ihr noch vierzehn Tage, um sich gegen den Liebeskummer zu wappnen, der sie nach seiner Hochzeit erfassen würde?
Beides schien unmöglich.
Sie blickte schon wieder in seine Richtung.
Er ertappte sie erneut dabei. Das war das Problem, dachte sie. Es ging nicht nur ihr so. Er dachte auch an sie. Er warf ihr diese Blicke zu. Es war irgendwie magisch. Er zog sie an wie ein Magnet, und sie konnte dem unmöglich widerstehen. Auch jetzt konnte sie den Blick nicht abwenden.
»Wo guckst du denn die ganze Zeit hin?«, fragte Julianna. Dann sah sie Brandon und sagte: »Oh.«
»Ich weiß«, gab Sophie zu. Sie fand, das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch wurde überbewertet. Es fühlte sich ziemlich unangenehm an.
»Ich dachte, du machst dir nichts aus ihm, weil er in zwei Wochen eine andere heiratet«, bemerkte Julianna sachlich. So einfach war es nicht, aber das schien ihre Freundin nicht zu begreifen. Sophie unternahm keinen Versuch, es ihr zu erklären. Zumindest nicht jetzt. Wenn sie das versuchte, müsste sie sich auch innigere Gefühle eingestehen, die sie gar nicht für ihn empfinden wollte.
»Danke, dass du mich daran erinnerst«, bemerkte Sophie stattdessen.
»Du klingst nicht besonders glücklich darüber«, sagte Julianna.
»Bin ich auch nicht«, antwortete Sophie. Sie wusste, sie musste sich den Tatsachen stellen: Sie war einem Mann verfallen, der in nur zwei Wochen eine andere Frau heiraten würde. Vielleicht konnte sie darüber später nachdenken. Es war schwer genug, eine Hochzeit durchzustehen.
»Was ist denn los?«
»Ich habe mich in ihn verliebt, Julianna«, flüsterte Sophie ihrer Freundin zu. Mit der Einladungskarte begann sie, sich frische Luft zuzufächeln. Warum wurde es in St. George’s nur immer so verflucht heiß?
»Oh mein Gott«, murmelte ihre Freundin.
»Wo ist die Braut? Die Trauung sollte doch langsam losgehen«, wechselte Sophie abrupt das Thema. Die Symptome verschlimmerten sich wie üblich: Ihr Magen war gereizt und ihre Handflächen verschwitzt. Oh, wie sie diese bangen Minuten hasste!
Näherin oder Dienerin, Gouvernante oder Mätresse.
Vielleicht wollte sie ja eine Mätresse werden. Lord Brandons Mätresse. Sie blickte wieder in seine Richtung; er schien sie nicht zu bemerken. Er stand gerade auf, um die Damen Richmond zu begrüßen.
»Und wo wir schon dabei sind, wo steckt der Bräutigam?«, wunderte sich Julianna.
»Ist er nicht hier?«, fragte Sophie besorgt. Das war noch ein guter Grund, warum sie Julianna gerne mitnahm. Ihre Freundin war größer als sie und konnte den Altar auch von den hinteren Kirchenbänken aus gut sehen.
»Nicht, soweit ich es sehen kann.«
»Ach, verdammt!«, flüsterte Sophie aufgeregt.
»Sophie!«
»Ich fürchte, ich kann nicht länger bleiben«, sagte Sophie. Sie stand auf und ging. Julianna war klug genug, sie nicht aufzuhalten. Statt das Gotteshaus direkt zu
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