Lady meines Herzens
verlassen, suchte Sophie Zuflucht im Vorraum. Brandon war hier, und ihre Sehnsucht nach seiner Nähe hatte über den Wunsch gesiegt, auf schnellstem Weg aus der Kirche zu verschwinden.
Während sie unruhig auf den Steinfliesen hin und her lief, verfluchte sie Matthew Fletcher und murrte über die schreckliche Arbeit, die sie seinetwegen hatte annehmen müssen. All diese Bräute, denen sie zusehen musste! Sie war keine von ihnen, und es war sehr unwahrscheinlich, dass sie je zu ihnen gehören würde.
Sie dachte an Brandon. Sie musste häufig an ihn denken … Sophie blieb stehen und seufzte. Ja, sie wollte ihn, doch sie konnte niemals mit ihm zusammen sein.
Sie wischte sich eine Träne von der Wange. Sollte die Liebe nicht ein reines, zauberhaftes Gefühl sein? Für sie war dieses Gefühl nur schmerzhaft und kompliziert.
Vor einem Jahr war sie aus heiterem Himmel vom Liebeskummer getroffen worden. Und nun musste sie all das noch einmal durchmachen. Zuerst hatte sie sich in einen Mann verliebt, der sie verließ. Und jetzt hatte sie sich in einen Mann verliebt, der eine andere Frau nicht ihretwegen verlassen würde.
»Sophie. Geht es Ihnen gut?«
Sie wirbelte herum. Zu ihrer Überraschung stand Lord Brandon hinter ihr. Er wirkte ehrlich besorgt. Sie wollte nicht, dass er sie so verletzlich und bewegt sah. Trotzdem wünschte sie sich ebenso heftig, sich einfach in seine Arme zu werfen und ihre Wange an seine Brust zu drücken. Aber sie hielt sich mühsam zurück.
»Was machen Sie hier?«, fragte Sophie. Suchend blickte sie sich nach Clarissa oder seiner Mutter um. Oder irgendeinem anderen Grund für seine Anwesenheit.
»Ich habe bemerkt, dass Sie verschwunden sind, und hatte den Eindruck, dass es Ihnen nicht gut geht«, antwortete er, als könnte das alles erklären. Sie wartete einen Augenblick, ob noch eine richtige Erklärung folgen würde. Dann dämmerte es ihr: Er machte sich Sorgen. Um sie.
»Ich hasse Hochzeiten«, stieß Sophie hervor. Nur die anderen Schreibenden Fräulein wussten, dass die gefeierte Hochzeitskolumnistin der London Weekly diese hübschen Zeremonien, über die sie schrieb, verabscheute und verachtete. Aber die Kolumne bezahlte ihre Rechnungen.
An seiner Miene konnte sie deutlich ablesen, dass er das nicht erwartet hatte.
Brandon trat beiseite. Er zog Sophie in einen Alkoven, der ihnen ein bisschen Privatsphäre bot.
»Jeden Samstagmorgen ertrage ich eine Trauung nach der nächsten, obwohl mich das alles so … so …«
Die Worte kamen ihr nicht über die Lippen. Es fühlte sich an, als blieben sie ihr im Hals stecken, bis sie daran erstickte. Sie wollte ihm erklären, dass ihr bei jeder Hochzeit das Herz aufs Neue brach. Dass sie keine Hochzeit mehr fürchtete als seine. Bei jedem Mann, der vor den Altar trat, fragte sie sich, warum sie sich nicht in diesen verliebt hatte. Bei jeder Braut, die auch nur den halben Weg zum Altar schaffte, fragte Sophie sich, ob sie jemals so weit kommen würde. Und die ganze verfluchte Zeremonie und die Feierlichkeiten ließen in ihr ein schales Gefühl zurück. Sie fühlte sich unvollständig und geriet jedes Mal aufs Neue in Panik.
Brandon schloss seine Hände vorsichtig um ihre Oberarme und blickte ihr aufmerksam in die Augen.
»Sophie, atmen Sie jetzt tief durch«, befahl er ihr. Sie gehorchte. Seine Stimme klang so selbstsicher, und sie beruhigte sich augenblicklich. »Erzählen Sie mir, warum Sie Hochzeiten hassen.«
Würde er sie weniger begehrenswert finden, sobald er die Wahrheit wusste? Sie fühlte sich ein bisschen wie gebrauchte Ware oder etwas, das jemand kauft und dann wieder zurück in den Laden bringt, weil es doch nicht das war, was er sich erhofft hatte. Es war vielleicht das Beste, wenn er geringer von ihr dachte.
Aber mit jeder Sekunde, die er hier in dem Alkoven neben ihr stand und sich mit ihr vor neugierigen Blicken verbarg, mit jeder Sekunde, in der er genau das tat, was sie brauchte, spürte sie, wie sie sich mehr in ihn verliebte.
»Ich wurde sitzen gelassen.« Ihre Stimme war nur ein Hauch.
»Der Mann ist ein Idiot«, sagte Brandon.
»Ich habe es immerhin den halben Mittelgang hinunter geschafft …«
Brandon nahm ihre Hände in seine und drückte sie mitfühlend. Sie verliebte sich noch mehr in ihn. »Und jetzt fühle ich mich bei jeder Trauung elend, bis die Braut vor dem Altar neben den Bräutigam tritt. Aber ausgerechnet heute ist der Bräutigam verschwunden, und die Braut verspätet sich …«
»Schhhh …«
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