Lady meines Herzens
Brandon legte einen Finger auf ihre Lippen, weil ihre Stimme schwindelerregende Höhen erklomm, wenn sie in Panik geriet. »Es kommt jemand.«
Er zog sie noch tiefer in die Schatten. Aus einer Kammer betrat die Braut den Vorraum. Sophie fand sie wunderschön in ihrem silbernen Satinkleid, das mit zahllosen Perlen bestickt war. Es schimmerte wie silbriges Mondlicht.
Die Braut bemerkte die beiden nicht, sondern lächelte glücklich ihren Vater an. Sie richtete sich auf und blickte dann ganz bewusst zum anderen Ende des Mittelgangs. Vermutlich sah sie ihren Bräutigam am Altar auf sie warten, denn ihr Lächeln war strahlend schön.
Sophie erinnerte sich wieder daran, wie es sich damals angefühlt hatte, als sie dort stand. Sie war zu spät gewesen und hatte nicht innegehalten, um den Gang hinunterzuschauen und ihren Bräutigam anzulächeln. Sie wusste nicht, ob er das Lächeln erwidert hätte. Stattdessen war sie direkt in die Katastrophe gestürmt.
Sie hatte erst viel später erfahren, dass Matthew versucht hatte, vorher noch einmal mit ihr zu sprechen. Die Frauen vor ihrer Kammer hatten ihn verscheucht. Dann war sie auch noch zu spät gekommen, und er war von jemandem zum Altar geführt worden, obwohl es noch nicht soweit war. Es war seine einzige Chance gewesen, ihr auf halbem Weg entgegenzukommen.
Die Musik setzte ein. Die Braut machte erst einen Schritt, dann den nächsten. Sie ging ihrer Zukunft entgegen. Und die ganze Zeit stand Brandon an Sophies Seite und hielt ihre Hand.
In ihren Augen brannten heiße Tränen. Das hier war es, was sie immer gewollt hatte: einen Mann, der neben ihr stand und einfach ihre Hand hielt, wenn sie gerade jemanden brauchte.
»War es eine Liebesheirat?«, fragte er.
»Für mich wäre sie es gewesen. Aber Liebe hat ihm nicht gereicht.«
»Was ist passiert?«, fragte Brandon.
»Er suchte das Abenteuer. Und dieses Abenteuer bot ihm eine gewisse Mrs Lavinia Tibbits. Eine Witwe, die viel reiste und die er nur zwei Wochen vor der Hochzeit in einem Gasthaus kennengelernt hatte.« Es tat noch immer weh, davon zu erzählen.
»Sie wurden an Ihrem Hochzeitstag sitzen gelassen …«, wiederholte Brandon vorsichtig.
»Ich habe es sogar den halben Gang hinunter geschafft, um genau zu sein«, sagte Sophie.
»Wegen einer anderen Frau?«, fragte er.
»Und jetzt schreibe ich über die perfekten Hochzeiten, die alle anderen feiern dürfen«, fuhr sie unverblümt fort. Seine Miene verriet ihr, dass ihn diese Vorstellung überraschte. Sie konnte geradezu sehen, wie er diese Information verarbeitete. Dabei wirkte er ruhig und nachdenklich.
Vermutlich verstand er jetzt, warum das hier zwischen ihnen – wie auch immer man es nennen mochte – kein leichtfertiger Flirt für sie war, sondern gefährlich vertrautes Terrain.
Brandon tat daraufhin das in dieser Situation einzig Richtige: Er legte die Arme um sie und zog sie an sich. Sophie dachte an ihren unglückseligen Hochzeitstag, als Matthew versucht hatte, sie in den Arm zu nehmen, um sie zu trösten. Sie hatte sich seither schmerzlich nach dem Schutz gesehnt, den ihr die starken Arme eines Mannes boten.
Endlich hatte sie ihren Hafen gefunden.
Sophie presste die Wange an seine Brust. Er fühlte sich warm und stark an, und sie konnte das Pochen seines Herzens hören, das beständig und kräftig schlug. Diesem Mann konnte eine Frau ihr Herz und ihre Liebe anvertrauen. Ein Leben lang.
Brandon hielt sie fest. Eine Hand ruhte auf ihrem Rücken, die andere in ihrem Nacken. Sie war ganz in seinem Bann und hätte jedem seiner Worte bedingungslos gehorcht.
In ihr brannten heißes Verlangen und zugleich rasende Eifersucht auf Clarissa.
Schon die kleinste seiner Berührungen ließ wohlige Schauer über ihren Rücken rinnen. Ihr Verstand setzte aus. Sie bestand nur noch aus diesen ursprünglichen, schamlosen Gefühlen, die die Kontrolle übernahmen. Mit den letzten Resten ihres Verstands gelang es Sophie dennoch, sich von Brandon zu lösen. Sie blickte zu ihm auf.
Seine Augen hatten sich verdunkelt und die Farbe von Gras im Mondlicht angenommen – Schwarz, das nur einen Hauch von Grün ahnen ließ. Sophie liebte seine Augen, aber der Gedanke daran verblasste angesichts der Tatsache, dass sie im Vorraum einer Kirche standen und sich während einer Hochzeit sehnsüchtig umarmten.
Schon in zwei Wochen würde er wieder hier stehen und Clarissa heiraten.
Die intensive, lebendige Hitze, die von ihr Besitz ergriffen hatte, ließ nach. Sie
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