Lady meines Herzens
die Frage, was unsere Miss Harlow mit einem Duke im Vorraum einer Kirche getan hat.«
Sie hatte nichts getan. Sie hatte sich nur verliebt.
Es hatte ganz unschuldig begonnen, und sie vermisste schmerzlich das Hochgefühl jener Tage zwischen ihrer ersten Begegnung mit Brandon und dem Moment, als sie erkennen musste, dass sie niemals mit ihm zusammen sein durfte. Und obwohl sie versucht hatte, allen romantischen Gefühlen für ihn einen Riegel vorzuschieben, war es inzwischen zu spät. Er stand neben ihr und hielt ihre Hand, wenn sie am verletzlichsten war. Wie sollte sie da nicht ihr Herz an ihn verlieren?
Das Gespräch verstummte, als Mr Knightly den Raum betrat.
»Guten Morgen«, begrüßte er die Redakteure. Sein Blick richtete sich sofort auf Sophie. Ihr wurde ganz flau im Magen. »Miss Harlow? Ich habe gesehen, dass Sie es in die Zeitungen geschafft haben.«
Sie nickte. Plötzlich hatte sie Angst. Was war, wenn sie deswegen ihren Job verlor? War sie bereit, wegen ihrer Liebe zu Brandon zu hungern? Nein, so weit war sie nicht. Noch nicht.
»Ich habe den leisen Verdacht, dass ein Skandal, in den einer unserer Leute verwickelt ist, die Verkaufszahlen in die Höhe treiben könnte«, sagte Mr Knightly. Sophie atmete auf. »Skandale gleich Verkäufe«, brummten sämtliche Redakteure im Chor.
»Wie auch immer. Sollte diese Geschichte den Inhalt Ihrer eigenen Kolumne in Gefahr bringen, könnte ich anders darüber denken, Miss Harlow«, sagte Mr Knightly. »Wenn Lady Richmond beschließt, ihre Geschichte einem anderen Blatt anzubieten, wäre ich nicht besonders erfreut.«
»Ja, Sir«, antwortete Sophie. Sie verstand ihn: Ein ehebrecherisches Fräulein, das über Hochzeiten berichtete, wäre ziemlich unpassend.
»Nun, dann wollen wir mal. Ladies first«, sagte Mr Knightly. Er grinste zufrieden, und Sophie atmete erleichtert aus. Für heute war sie in Sicherheit. Aber da Lady Richmond über den Flirt zwischen ihr und Brandon Bescheid wusste, musste Sophie jeden ihrer Schritte sorgsam bedenken.
»Ich kann die Gerüchte über Sophies angebliche Liaison mit Seiner Gnaden in meiner Kolumne dementieren«, schlug Julianna vor.
Und dann besprachen sie die anderen Artikel. Sophie würde ihre Hochzeitsberichterstattung fortsetzen, Annabelle beantwortete die Briefe, in denen ihr Fragen zu Hochzeitsthemen gestellt wurden, und Eliza wollte über die Wirksamkeit von Wrights Tonikum zur Heilung missliebiger Gefühle schreiben. Es hatte als Scherz begonnen, aber der Trank verkaufte sich unglaublich gut.
Die restlichen Seiten der kommenden Ausgabe wurden mit der üblichen Mischung aus »Geheimnissen der Gesellschaft« und spannenden Meldungen gefüllt. Hinzu kamen Berichte aus dem Parlament und kontroverse Artikel zu politischen Themen. Vernichtende Theaterkritiken gehörten ebenso dazu wie Meldungen über Unfälle und Straftaten.
Sophie verließ die wöchentliche Redaktionssitzung mit dem Gefühl, nicht ganz auf dem Damm zu sein. Verliebtheit. Skandal. Dukes und Schreibende Fräulein. Wann und wie war das bloß zu ihrem Leben geworden?
Kapitel 19
Noch elf Tage bis zur Hochzeit …
In der Residenz von Lord und Lady Westbrooke
Mayfair, London
Bei Lady Westbrookes Musikabend herrschte dichtes Gedränge, aber Sophie entdeckte schon kurz nach ihrem Eintreffen Clarissa, die allein am Rand der Menge stand.
»Guten Abend, Lady Richmond«, begrüßte Sophie sie.
»Bitte nennen Sie mich einfach Clarissa«, bat sie. »Sonst sehe ich mich ständig um, ob meine Mutter gerade hinter mir steht. Heute Abend lässt sie sich entschuldigen, sie hat Migräne.«
Die beiden jungen Frauen wechselten einen Blick, der Bände sprach. Beide wussten, welche Bedeutung die Abwesenheit der älteren Lady Richmond hatte.
»Es tut mir leid zu hören, dass Ihrer Mutter nicht wohl ist«, sagte Sophie. Dann war Clarissa vermutlich mit ihrem Verlobten hergekommen. Sophie musste sich bezähmen, nicht nach ihm Ausschau zu halten.
»Es ist nichts Schlimmes, und ich finde es interessant, einmal ohne sie unterwegs zu sein.« Sie ließ ihren Blick über die Menge schweifen, ehe er sich auf eine bestimmte Person heftete. Bevor Sophie herausfand, wer Clarissas Interesse geweckt hatte, wandte sie den Blick schon wieder ab.
»Clarissa, ich möchte mich aufrichtig dafür entschuldigen, was neulich bei der Hochzeit des Marquess of Winchester passiert ist. Ich habe mich unwohl gefühlt, und Lord Brandon kam zufällig vorbei. Er hat sich nach meinem Befinden
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