Lady meines Herzens
Gerichtsverfahren würden aus der Hochzeit des Jahres den Skandal des Jahrzehnts machen. Keiner der Beteiligten könnte sich auf lange Sicht von diesem Schaden erholen, den diese Ereignisse für den eigenen Ruf nach sich zogen.
Sophie konnte nicht erwarten, dass dieses Mädchen, das seiner Mutter bedingungslos gehorchte, plötzlich aufmuckte. Das Risiko war für Clarissa einfach zu groß, und ein perfekter Gentleman wie Brandon würde auf keinen Fall seinen Ruf und sein Geld aufs Spiel setzen. Ihre Situation war hoffnungslos. Am liebsten hätte sie geheult.
»Ein riesiger Skandal«, bekräftigte Clarissa. Nachdem sie sich mit einem Schulterblick versichert hatte, dass ihre Mutter in einem Umkleidezimmer verschwunden und außer Hörweite war, wechselte sie abrupt das Thema. »Wussten Sie, dass Frederick sechs Sprachen spricht? Ist das nicht das Aufregendste, was Sie je gehört haben?«
»Oh ja«, erwiderte Sophie, weil man das eben zu einer frisch verliebten jungen Dame sagte.
Clarissa wählte ein paar Gebäckstücke aus und legte sie auf ein Tellerchen. Als sie ihre Handschuhe auszog, fielen Sophie die tintenbefleckten Finger auf.
»Briefe an Frederick. Meine Mutter glaubt, ich korrespondiere mit meiner Cousine in Bath«, erklärte Clarissa. Dann erzählte sie Sophie alles, was sie über Frederick erfahren hatte und was sie an ihm bewunderte. Erst als ihre Mutter auftauchte und zum Aufbruch drängte, verstummte sie.
Während zwei von Madame Auteuils Gehilfinnen Lady Richmonds Handschuhe zugeknöpft hatten, gab die Duchess Anweisungen: Die Kutsche sollte vorfahren, und Clarissa musste ihre Haube aufsetzen.
Dann wandte sich die Duchess an Sophie.
»Oh, ehe ich es vergesse, Miss Harlow. Wir haben ein Treffen, bei dem die Speisenfolge für das Hochzeitsessen besprochen wird. Ich schicke Ihnen anschließend eine Kopie für Ihre Kolumne. Sie brauchen nicht zu kommen.«
Die Ladentür schlug hinter ihnen zu.
Das war nicht gut.
Offensichtlich waren Brandon und sie nicht diskret genug gewesen. Sie hatten bei dem Blumentreffen zu oft gemeinsam gelacht, hatten beim Musikabend offen miteinander gescherzt, hatten einander beim Tanz schamlos schöne Augen gemacht und hätten sich dann beinahe auf der Terrasse geküsst.
Das war überhaupt nicht gut.
Eigentlich brachte es Sophie sogar in ernste Schwierigkeiten. Beklommen dachte sie darüber nach, während sie sich auf den Weg nach Hause machte.
White’s Club für Gentlemen
Brandon hatte sich fest vorgenommen, nach der Parlamentssitzung sofort den Erzbischof aufzusuchen, doch dann machte er einen Umweg über den Club. Er fand einen Platz im vorderen Raum nahe dem Bogenfenster und ließ sich einen Brandy bringen. Statt wie üblich allein vor sich hinzubrüten, genoss er Roxburys Gesellschaft.
Er trank schon am Nachmittag, suchte die Gesellschaft von Männern mit zweifelhafter Moral und verzehrte sich nach unpassenden Frauen. All das war ein bisschen liederlich, ein bisschen gefährlich und überhaupt nicht öde.
»Wie schreiten die Planungen für die Hochzeit des Jahres voran?«, fragte Roxbury.
»Ich bin froh, behaupten zu dürfen, dass ich keine Ahnung habe«, antwortete Brandon und nahm einen Schluck.
»Wie weit ein Mann doch für eine Frau geht! Ich dachte, es sei das Schlimmste, wenn Männer sich wegen einer Frau duellieren, aber sich auf eine Diskussion über Blumen einzulassen …« Roxbury grinste.
»Das haben wir inzwischen Gott sei Dank überwunden.«
»Und was wird nun aus deiner Vernarrtheit in das Schreibfräulein? Ich sehe dich am helllichten Tag Brandy trinken, also weiß ich genau, wie die Dinge stehen.«
»Dann lass mal hören.«
»Deine Leidenschaft für sie ist inzwischen so heftig, dass du unter der Anstrengung, sie zu unterdrücken, bald zerbrichst«, erklärte Roxbury.
»Für jemanden wie dich, der sich bisher nie einem intensiven Gefühl oder einem tiefsinnigen Gedanken gewidmet hat, sind das bemerkenswert einsichtige und kluge Worte«, meinte Brandon.
»Auch wenn ich in meinem Leben den Druck von Einschränkungen vermeide, so erkenne ich doch die Symptome bei anderen. Da bin ich besonders aufmerksam, weil ich nie Ähnliches erleiden will«, erklärte Roxbury.
»Meinen Glückwunsch«, bemerkte Brandon trocken. »Und wie ist es um dein Problem bestellt? Bist du einer Lösung schon näher gekommen?«
»Nein. Bisher habe ich es immerhin geschafft, weder Lady Belmont noch Lady Derby eine abschließende Antwort zu geben, ob ich sie zu
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