Lady meines Herzens
ein Kleid reden.« Die letzte Bemerkung unterstrich sie mit einem Lächeln. Lady Hamilton tätschelte Sophies Hand und ließ sie stehen, um ihr eigenes Kleid für die Hochzeit in Augenschein zu nehmen.
Clarissa hatte derweil die Anprobe überstanden und setzte sich an den kleinen Tisch, auf dem ein Tablett mit Tee und Erfrischungen aufgebaut war. Sophie gesellte sich zu ihr.
»Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte Sophie. Clarissa machte auf sie einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck. Dabei hatte sie gerade ihr Hochzeitskleid tragen dürfen …
»Es ist nur so ein bittersüßer Augenblick. Das Kleid ist wirklich schön. Und Lord Brandon ist so angenehm …«
Angenehm! Angenehm?! Das Wetter war angenehm. Neue Haarbänder waren angenehm. Lord Brandon konnte man doch unmöglich mit so banalen, angenehmen Dingen in Verbindung bringen. Er war ein Mann, der Mann sogar, der ihr Herz vor Sehnsucht höher schlagen ließ. Der Mann, der all ihre Träume beherrschte und beinahe jeden Gedanken, den sie tagsüber hegte. Der Mann, der in ihr Empfindungen hervorrief, die man in vornehmer Gesellschaft nicht einmal erwähnen durfte. Angenehm war wohl kaum die richtige Beschreibung für ihn.
»… und als ich eben in meinem neuen Kleid auf dem Hocker stand, wurde mir erst bewusst, wie wenig Zeit mir bleibt, ehe ich Frederick Lebewohl sage und mich meiner Zukunft stelle. Einer Zukunft ohne Frederick«, fügte Clarissa hinzu.
Sophie biss sich auf die Zunge. Sie verkniff sich die Frage, ob Clarissa darüber nachdachte, die Hochzeit abzusagen.
Bestimmt hatte sie schon daran gedacht. Aber es wäre Irrsinn, wenn sie eine Verbindung wie die mit Brandon ausschlug, ohne zu wissen, was aus ihr wurde. Der Prinz hatte ihr also vermutlich noch keinen Antrag gemacht.
Man konnte durchaus ein Kleid als Metapher für die Situation benutzen. Sophie konnte Clarissa nicht einfach bitten, ihr Kleid herzugeben, bloß weil Sophie es mochte und es gerne haben wollte. Dieses Kleid passte Clarissa nämlich perfekt, es unterstrich ihre Stärken und kaschierte ihre Schwächen. Es machte sie glücklich und heiterte sie auf … Aber Sophie wünschte sich so sehr, es auf ihrer Haut zu spüren, es zu küssen …
Gut, sie dachte nicht länger an ein Kleid. Auch Lady Hamilton hatte nicht über das Kleid gesprochen. Es blieb die Tatsache, dass eine Frau nicht das Kleid oder den Verlobten einer anderen Frau verlangen konnte.
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte Sophie.
Bitte sag, dass du ihn sitzen lässt. Bitte sag, dass du ihn sitzen lässt …
» Was kann ich denn schon tun?«, fragte Clarissa und zuckte mit den Schultern. Sie schaute sich suchend nach ihrer Mutter um, die in einer Ecke des Ateliers verschiedene Stoffe prüfte.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Sophie, obwohl sie ein Dutzend Vorschläge hatte. Für den Anfang könnte Clarissa die Hochzeit absagen. Oder sie könnte mit dem Prinzen durchbrennen oder sich einfach weigern, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte. Aber keine dieser Möglichkeiten sprach Sophie laut aus. Sie war sich ihrer eigenen Position in diesem Spiel durchaus bewusst und ebenso der damit verbundenen, beschränkten Handlungsmöglichkeiten.
»Der Ehevertrag wurde bereits unterzeichnet. Und selbst wenn ich es wagen würde, mit Lord Brandon zu reden … Meine Eltern … Sie machen es mir sehr schwer.«
»Ich verstehe«, sagte Sophie. Das Ganze war sonnenklar. Sophie musste sich für den Moment wappnen, wenn Clarissa in neun Tagen Lord Brandon heiratete, obwohl sie einen anderen liebte.
Wieso sie das tat, machte Sophie stutzig. Aber sie erinnerte sich wieder an das Gespräch zwischen dem Duke und der Duchess of Richmond, das sie kürzlich belauscht hatte. Sie brauchten Geld, und Brandon hatte genug. Ihre Tochter war alles, was sie im Austausch anbieten konnten.
Trotzdem … Trotzdem gab es noch Hoffnung! Wenn Brandon der Sache ein Ende setzte, wenn dieser höchst ehrenhafte, vertrauenswürdige und anständige Gentleman einfach diese Verlobung löste …
Das war ziemlich unwahrscheinlich, musste Sophie widerstrebend eingestehen.
»Und wenn er die Verlobung löst, bin ich sicher, meine Eltern würden ihn wegen Vertragsbruchs verklagen«, sagte Clarissa. Mit jedem Satz fügte sie dem Sarg, in dem Sophie ihre Hoffnungen und ihre Träume von einer Liebesheirat mit Brandon begrub, einen weiteren Nagel hinzu.
»Das wäre ein Skandal«, brachte Sophie mühsam hervor. Eine gelöste Verlobung und ein anhängiges
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