Lady Sunshine und Mister Moon
zu Wolfgangs Masterplan. Denn auch wenn er nicht den Rest seines Lebens in Las Vegas verbringen wollte, so war die Zeit hier doch das beste Training für seine Karriere. Die Kombination aus technischem Equipment – das Avventurato war mit der neuesten Technologie ausgestattet – und mindestens einem Dutzend unterschiedlicher Situationen, mit denen er jede Nacht konfrontiert wurde, würde er woanders nicht so leicht finden. Er wusste nie, was auf ihn zukam, wenn er zur Arbeit erschien. In den fast dreiunddreißig Monaten, in denen er für das Kasino arbeitete, hatte er mehr Herausforderungen gemeistert als die meisten Security-Mitarbeiter in ihrem ganzen Leben.
„Die Dinge ändern sich“, sagte er. Dann setzte er Dan kurz und bündig über seine neue Situation als Onkel ins Bild.
„Natürlich müssen Sie Zeit mit dem Jungen verbringen“, pflichtete Dan ihm prompt bei. „Teenager brauchen eine Menge Aufmerksamkeit. Ehrlich gesagt, mein Freund, das wird hart für Sie werden. Aber lieber Himmel, Sie hätten mir doch schon am Telefon sagen können, was los ist! Dann hätte ich Beck herbestellt.“
Das hätte Wolf beinahe getan, Niklaus hatte sich jedoch nicht dazu geäußert. Allerdings hätte der Junge sich vermutlich eher die Zunge abgebissen, als auch nur anzudeuten, dass ihm etwas an Wolfgangs Gesellschaft lag. Er hatte etwas verloren gewirkt. Vermutlich war er nach seinem ersten Tag in der neuen Schule etwas dünnhäutig. Und Wolfgang hatte ihn damit alleingelassen.
Was um alles in der Welt hatte sich seine Mutter nur dabei gedacht, den Jungen in seiner Obhut zu lassen? Gewohnheiten abzulegen war schwer. Hatte er schon alles vermasselt, weil er seinen Mustern gefolgt war? Weil er ins Kasino gefahren war, um den Job zu erledigen, den man von ihm erwartete?
„Los, hauen Sie schon ab!“, unterbrach Dan Wolfs Gedanken. „Vor Freitag will ich Sie hier nicht mehr sehen.“
Normalerweise hatte er Dienstag und Mittwoch frei. Wolf konnte den Protest, der ihm wie von selbst in den Kopf kam, gerade noch so zurückhalten – nämlich, dass ein zusätzlicher freier Tag unnötig war. Er musste sich angewöhnen zu denken wie ein … wie ein …
Mist.
Wie ein Vater.
Daran hatte er auf dem Heimweg zu knabbern. Es gab nicht vieles, das ihn schockierte. Doch er musste wenigstens sich selbst eingestehen, dass ihm der Gedanke, die Verantwortung für einen wütenden Jugendlichen zu tragen, eine Heidenangst einjagte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er zu Niklaus durchdringen sollte. Eigentlich hätte er dazu in der Lage sein müssen. Zumal er ja selbst ein solcher Teenager gewesen war. Er wusste aus erster Hand, wie es sich anfühlte, wenn man nicht die Macht hatte, die Umstände zu ändern. Dennoch hatte er keine Ahnung, wie er mit Niklaus umgehen sollte.
Aber: Niklaus hatte niemanden außer ihn. Also würde ihm gar nichts anderes übrig bleiben, als wenigstens eine kleine Gemeinsamkeit zu finden.
Wolf seufzte. Eigentlich war er bisher doch wunderbar klargekommen. Und jetzt war er plötzlich der Erziehungsberechtigte eines ziemlich genervten Jungen. Und darüber hinaus verbrachte er viel zu viel Zeit damit, sich unangemessene Gedanken über eine Frau zu machen, die das genaue Gegenteil seiner Idealfrau war.
Gerade noch lief alles wunderbar, und plötzlich war sein Leben total verfahren. Wie hatte das nur passieren können?
Die Wohnung wirkte unbewohnt, als er wenige Minuten später zu Hause ankam. Wolf verdrängte den Hauch von Verzweiflung, der sich seiner bemächtigte; dieses Gefühl war schlicht absurd und unreif. Er schloss die Tür hinter sich. Niklaus strolchte bestimmt nicht allein draußen herum. Er war zweifellos in seinem Zimmer. „Nik!“
Wolf bekam keine Antwort. Das irritierte ihn. Er war extra seinetwegen nach Hause gekommen. Wo zum Teufel steckte der Junge?
Wolf bezähmte seine Ungeduld und eilte durch den schmalen Flur. Der Junge hatte ihn vielleicht einfach nicht gehört; vermutlich ließ er sich von seiner allgegenwärtige Musik über Kopfhörer beschallen. Das tat er, seit Wolf ihn gebeten hatte, den Nachbarn gegenüber etwas Respekt zu zeigen.
Nachbar, mein Lieber. Sein Schritt verlangsamte sich. Einzahl.
Richtig. Es gab nur einen Nachbarn. Eine Nachbar in . Carly Jacobsen. Deren Haut er immer noch unter seinen Händen spürte. Deren Geschmack sich seine Sinne weigerten zu vergessen. Sein Unbehagen erreichte eine neue Dimension.
Er gab sich einen Ruck und setzte seinen Weg zum
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