Laennaeus, Olle
mit einem Mal fremd war.
«Was ist denn daran so verkehrt? Wenn
man Eltern hat, die saufen, muss man halt arbeiten.»
Die Abstände zwischen ihren Begegnungen
wurden länger und länger. Konrad saß allein im Morgenbus nach Ystad und verbrachte
die Nachmittage und Abende damit, auf seinem Bett zu liegen und sich wegzuträumen.
Sven nahm jeden Morgen das Fahrrad und radelte die sechs Kilometer zur Meierei hinaus
und ließ nur selten von sich hören, wenn er wieder zurückkam.
Wann genau das Gerücht aufkam, war
nicht sicher, ebenso wenig, wodurch es ausgelöst wurde. Doch plötzlich schlugen
die Leute im Ort einen anderen Tonfall an, wenn sie über Ameisen-Sven tratschten.
Konrad bekam es irgendwann zu Beginn
des Frühjahrs mit, als der bräunliche Schneematsch, der seit dem vergangenen Dezember
in Tomelilla gelegen hatte, begann wegzuschmelzen. Es war Klas, der es zum ersten
Mal laut sagte.
«Du weißt ja, dass er schwul ist, dein
Freund, oder?»
«So etwas sagt man nicht, Klas!», schimpfte
Signe, die vor der Spüle stand und Teller abwusch.
Ihr Sohn warf ihr lediglich einen verächtlichen
Blick zu.
«Rune, der draußen in Lunnarp arbeitet,
hat erzählt, dass die Ameise Schwulenzeitschriften in ihrem Spind versteckt hat.
Verdammt, wie eklig! Sie sagen, dass er sie alle anglotzt, als wollte er ihnen am
liebsten einen blasen.»
«Gott, vergib ihm!», platzte es aus
Signe heraus, die die Spülbürste ins Becken warf und aus der Küche stürzte, woraufhin
die Küchentür mit einem lauten Knall hinter ihr zuschlug. Ob sie Sven oder Klas
meinte, blieb unklar.
Konrad schwieg.
Er dachte über das nach, was Sven gesagt
hatte, als sie auf der abschüssigen Wiese am Myrsjö lagen und Schmetterlinge beobachteten.
Damals hatte Konrad gedacht, es wäre
der Wissenschaftler in seinem Freund, der seine Neugier geweckt hatte. «Eine Hypothese
kann man nicht verwerfen, bevor man sie nicht überprüft hat.» Solche Aussprüche
gab er ja andauernd von sich. «Wie kann man wissen, ob man schwul ist, wenn man
es nie ausprobiert hat?»
Aber jetzt, was sollte er jetzt glauben?
Konrad schwieg.
Von nun an wich er Sven aus. Bis zu
dem Tag, an dem er selbst den Ort verließ.
KAPITEL 18
A m frühen Morgen
des Mittsommertages ruft Orjan Palander an. Es klingelt siebenmal, bis Konrad,
der gerade unter der Dusche steht, das Handy hört. Er dreht den Wasserhahn zu,
schnappt sich ein Handtuch, stürzt aus dem Bad und bekommt das Handy genau in dem
Moment zu fassen, als Palander auflegen will. Er klingt aufgeregt.
«Da ist was im Gange. Können Sie sofort
vorbeikommen?»
Von Konrads Körper tropft Wasser, und
er versucht, so gut es geht, sich mit einer Hand abzutrocknen, während er das Handy
in der anderen hält.
«Ah, ja klar, wenn Sie mir sagen, worum
es geht.»
«Ich hab von der Polizei einen Tipp
bekommen. Aber ich kann jetzt nicht länger reden. Sie haben bereits angefangen.
Fahren Sie raus zu Tore Torstenssons Haus in Onslunda, und zwar so schnell Sie können.
Es liegt draußen auf der Ebene nördlich des Ortes. Wenn Sie der Straße durch den
Ort folgen, sehen Sie es schon. Bis gleich!»
Noch bevor Konrad Luft holen kann,
um etwas zu sagen, hat Palander aufgelegt.
Erst will Konrad ihn zurückrufen. Doch
dann sieht er ein, dass es nur Zeitverschwendung ist. Was auch immer da draußen
im Gange ist, es scheint eilig zu sein. Er zieht die Unterhose, Jeans und ein kurzärmliges
Hemd an und steckt die Autoschlüssel und sein Portemonnaie in die Hosentasehe.
Springt dann die Treppe hinunter. Im Vorbeigehen winkt er Gertrud im Foyer zu und
ruft: «Ich checke dann in ein paar Stunden aus.» Sie blickt ihm erstaunt nach.
Der Wagen ist um die Ecke geparkt.
In den Staub auf der Heckscheibe hat jemand mit dem Finger Hier fährt
ein Schwuler geschrieben. Konrad nimmt sich nicht die Zeit, es wegzuwischen,
sondern rauscht mit einem derartigen Kavalierstart los, dass die Reifen auf dem
Asphalt quietschen. Dann nimmt er schnell den Fuß vom Gas.
Die Straße nach Onslunda hinauf führt
an langgestreckten Feldern vorbei. An den Halmen der Getreidefelder sprießen die
Ähren. Der Raps hat seine gelben Blüten bereits verloren. Auf den Höfen ist es
still, einzig eine alte Frau steht auf einem Kartoffelacker über ihren Spaten gebeugt.
Sie schaut neugierig auf, als er vorbeifährt. Am Himmel ist kein Wölkchen zu sehen.
Es scheint wieder ein heißer Tag zu werden.
Plötzlich biegt ein Traktor auf die
Straße ein und zwingt Konrad zu
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