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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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denkst du also ...»
    Kunos samtweicher Stimme nach zu urteilen,
die überhaupt nicht zu dem streitlustigen Ausdruck in seinen Augen passte, zog
Konrad den Schluss, dass Gefahr im Verzug war. Er erhob sich langsam aus dem Gras
an der Scheunenwand, wo er gesessen und seinen nackten Oberkörper gesonnt hatte,
und sah sich nach einem Fluchtweg um.
    Plötzlich griff Kuno nach einer großen
blutverschmierten Ratte aus dem Eimer, packte sie am Schwanz und begann sie wie
eine Steinschleuder über seinem Kopf zu schwingen.
    Die erste Rattenleiche klatschte direkt
neben Konrads Kopf gegen die Bretterwand. Die andere traf ihn zwischen den Schulterblättern,
als er gerade im Begriff war wegzulaufen. Und als Kuno schließlich die wilde Jagd
aufgab, war Konrad von einer Ratte im Nacken, einer am Hosenboden und einer weiteren
an der Wange getroffen worden, die so dicht an seinem Mund landete, dass er den
Geschmack von Rattenblut auf der Zunge spürte.
    Es sollte eine ganze Woche dauern,
bis Konrad sich wieder traute, zu seinem Ferienjob zurückzukehren.
     
    D ie besten Stunden
mit Sven waren die, in denen sie am Abhang hinunter zum Myrsjö im hohen Gras auf
dem Rücken lagen und nichts anderes taten, als die Sommerwolken zu betrachten,
die am Himmel vorbeisegelten.
    Wenn sie die Gedanken weit, weit weg
schweifen ließen. Sie würden Astronauten werden, Entdeckungsreisende und Millionäre.
Fußballprofis, obwohl keiner von ihnen sich für die Juniorenmannschaft qualifiziert
hatte, und Rockstars, obwohl keiner von beiden auch nur eine Gitarre besaß.
    Mit friedlich summenden Insekten vor
dem Gesicht versuchte Sven, die physikalischen Gesetze zu erklären, die Ralf Edströms
Supertor gegen Westdeutschland möglich gemacht hatten.
    Und während ein Fuchsfalter vorbeiflatterte,
träumte Konrad laut davon, wie er Agneta Fältskog half, ihre wundervollen Glitzerhosen
auszuziehen, die ihren Hintern wie einen verführerischen Blaubeerkuchen aussehen
ließen.
    «Wie oft hast du es schon getrieben?»,
fragte Sven während einer dieser Stunden in der Sommerhitze. «Was meinst du?»
    «Gebumst. So richtig.»
    Konrad versuchte, den Eindruck zu erwecken,
als dächte er nach, während er im Gras lag und auf einem Grashalm herumkaute. Doch
die einzige Erfahrung, die dem einigermaßen nahekam, war sein Herumgeknutsche mit
Gunnel. Auf der Schuldisco in der Kantine des Gymnasiums hatten sie sich einmal
in die dunkle Ecke hinter dem Milchautomaten verdrückt.
    «Zählt es, wenn man Titten begrabscht
hat?»
    «Nee.»
    «Dann also keinmal ...»
    Eine Gegenfrage erschien Konrad unnötig.
Dass Sven auf irgendeine mirakulöse Weise seine Unschuld verloren haben könnte,
hielt er für völlig ausgeschlossen.
    «Stell dir vor, man ist schwul», sagte
Sven plötzlich.
    Konrad hielt in seinen Gedanken inne.
    «Was meinst du damit?»
    «Wenn man es nie ausprobiert hat, kann
man es ja auch nicht wissen, oder?»
    «Das ist doch krank. Eklig.»
    «Ich hab 'n Buch gelesen von einem
Nelson Rockweiler. Sie haben es in der Bibliothek für mich bestellt. Er ist Psychologe.
Amerikaner. Und darin stand, dass man schwul sein kann, ohne es zu wissen. Mindestens
einer von zehn ist schwul. Das sind allein schon drei in unserer Klasse. Na ja,
anderthalb, wenn man die Mädels nicht mitrechnet.»
    «Ein halber Schwuler ...?»
    «Ich mein das ernst. Wie soll man es
wissen, wenn man es nicht ausprobiert hat?»
    «Ach, hör doch auf mit dem Scheiß.»
    Konrad stand abrupt auf. Plötzlich
hatte er überhaupt keine Lust mehr, im Gras zu liegen und zu spekulieren.
    «Ich muss nach Hause. Glaub, Signe
hat Köttbullar gemacht.»
     
    N ach dem Sommer
im Silo in Spjutstorp wurde es mit Konrad und Sven nie wieder so wie früher. Irgendetwas
war passiert, aber keiner von ihnen verstand genau, was. Als wäre eine Nebelwand
zwischen sie geraten, und all das, was vorher leicht und selbstverständlich gewesen
war, erwies sich jetzt als diffus und verschwommen. Sie hatten sich damals zu zweit
gegen den Rest der Welt verbündet, aber stellten offenbar jetzt fest, dass es nicht
so einfach war.
    Zwei Monate nach Beginn des Wintersemesters
sprang Sven von der Schule in Ystad ab und begann in der Meierei in Lunnarp zu arbeiten.
    «Du bist echt verdammt smart, du kannst
doch nicht nur da draußen rumstehen und dein Leben lang in die Milch pissen», sagte
Konrad sauer. Er fühlte sich irgendwie im Stich gelassen.
    Sven zuckte resigniert mit den Schultern
und sah Konrad mit einem Blick an, der ihm

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