Laienspiel
Flüssigkeit, die vor allem als Lösungsmittel verwendet wird. Auch in der Kosmetik. Am bekanntesten dürfte es unter der Bezeichnung Nagellackentferner sein.«
»Nagellackentferner?«, wiederholte Kluftinger.
»Genau. Das hat wahrscheinlich auch deine Erika im Spiegelschrank stehen.« Kluftinger lächelte verlegen, und Renn fuhr fort: »Und jetzt zum zweiten Bestandteil: Wasserstoffperoxyd. H-zwo-O-zwo. Ebenfalls farblos, eine flüssige Verbindung aus Wasserstoff- und Sauerstoffatomen. Das wiederum wird als Bleichmittel verwendet. Vor allem für die Haare. Das Zeug findet sich in jedem Friseursalon in rauen Mengen.«
Kluftinger war baff. Und diese unspektakulären Komponenten sollten zusammen eine Bombe ergeben?
»Fehlt nur noch die Schwefelsäure. Die aggressivste unserer drei Komponenten. Die findet Anwendung in vielen industriellen Bereichen, ist im Privaten aber eher nicht zu finden. Trotzdem ist sie eine der am häufigsten produzierten Chemikalien. Tja, und das alles zusammengemixt …« Willi Renn machte eine kurze Pause, ballte die linke Hand zur Faust und spreizte dann schlagartig alle Finger ab: »Bumm!«
Sie sahen ihn geschockt an. Dann sagte Kluftinger: »Und woher wissen die, wie man das genau mischen muss?«
»Das kannst du dir alles aus dem Netz runterladen. Naja, du vielleicht nicht, aber jemand, der sich damit ein klein wenig auskennt.«
Kluftinger grinste gequält. Offenbar konnte man sich inzwischen alles aus dem Netz laden. Nur die fertigen Bomben, die musste man sich noch selbst bauen. Wahrscheinlich würde sich auch das bald ändern.
In das Schweigen hinein klatschte Yildrim in die Hände: »Willi, das war hervorragende Arbeit. Ganz ehrlich. Wenn das alles hier vorbei ist, sollten wir uns noch einmal unterhalten. Jemanden wie dich könnte ich in meinem Team gebrauchen. Auch in Wiesbaden haben wir sehr schöne Wohnungen.«
Prüfend blickte Willi Renn den BKA-Beamten an. Er war sich nicht sicher, ob das nur eine Höflichkeitsfloskel gewesen war oder ob er es wirklich ernst gemeint hatte. Doch Yildrim nickte zur Bestätigung, und Renn lächelte geschmeichelt. Kluftinger wiederum beobachtete Renn genau. Er würde doch nicht im Ernst erneut mit dem Gedanken spielen, von hier wegzugehen? Da würde er mit Yildrim noch mal ein Wörtchen reden müssen. Er hatte großen Respekt vor den Fähigkeiten des dunklen Hünen, aber wenn der nun anfing, einen der besten Leute hier abspenstig zu machen …
Yildrim stand auf und wies Renn seinen Platz zu. »Aus den Ergebnissen des Kollegen ergibt sich für uns natürlich unmittelbar Arbeit. Wo gibt es die Komponenten für diese Bombe zu kaufen? Noch dazu in großen Mengen. Es geht zunächst darum, zu ermitteln, wo man hier im Umkreis Aceton und Wasserstoffperoxyd kaufen kann. Friseurbedarf, Kosmetikgroßhandlungen, und so weiter. Ich würde sagen, im Umkreis von …«, er dachte kurz nach, »… fünfzig Kilometern. Die müssen wir abklappern. Wahrscheinlich ist, dass sie ihre Einkäufe auf mehrere Läden verteilt haben, um nicht aufzufallen.
Es besteht also durchaus die Chance, einen Treffer zu landen. Vielleicht haben wir ja Glück und bekommen eine Liefer- oder Rechnungsadresse oder etwas in der Richtung. Gleiches gilt für die Schwefelsäure: Die dürfte ja nicht gerade täglich in großen Mengen an privat über den Ladentisch gehen. Auf jeden Fall sollten wir bei Apotheken ansetzen. Unser Ziel muss sein: Möglichst viele, im Idealfall alle an der Planung beteiligten Personen ausfindig zu machen. Wir müssen jeder noch so kleinen Spur nachgehen. Und zwar flott.«
Bydlinski verzog das Gesicht.
Yildrim reagierte sofort. »Haben Sie etwas dazu zu sagen?«
»Fünfzig Kilometer … ich mein, haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele Geschäfte das sein müssen?«
»Eine vage Vorstellung von der Anzahl habe ich durchaus, ja. Es ist, wie gerade erklärt, eine Spur, der wir nachgehen werden. Wussten Sie, dass die Attentäter von London ebenfalls in zahlreichen Elektromärkten ihre Bombenbausteine zusammengekauft haben? Ich schlage vor, Sie kümmern sich darum, Herr Bydlinski. Sie können so viele Leute haben, wie Sie wollen. Daran soll es nicht scheitern. In diesem Sinne: an die Arbeit!«
Als sie aufstanden und sich wieder an die Telefone setzten, zischte Bydlinski: »Ich müsst einfach öfter mein Maul halten.« Kluftinger verkniff es sich, ihm zuzustimmen.
Etwa eine Stunde und zahllose Telefonate später, die immerhin ein paar kleine Notizen auf
Weitere Kostenlose Bücher