Laienspiel
Zuge der Ermittlungen gesehen hatten: Karg, nur mit den allernötigsten Möbeln, ohne private Dinge. Auf einem Tapeziertisch waren große Bögen Papier ausgebreitet, überall lagen Zettel und Computerausdrucke herum. Kluftinger ging als Erstes auf ein grobes, aus rohem, ungehobeltem Holz zusammengeschraubtes Kellerregal zu und nahm eine Flasche mit einer grünlichen Flüssigkeit darin.
Als er sich umdrehte, sah er in Willi Renns erschrockenes Gesicht.
Da wurde auch Kluftinger blass. Er hatte die Flasche ganz instinktiv genommen, erst jetzt fiel ihm ein, was sich alles darin befinden könnte. Die Müdigkeit hatte ihn leichtsinnig gemacht.
»Ganz, ganz vorsichtig. Stell es ab wie ein rohes Ei!«, zischte Willi ihm zu.
Alle Augen waren gebannt auf den Kommissar gerichtet. Der versuchte mit aller Willenskraft, die Flasche wieder hinzustellen, doch vergebens: Mit verkrampftem Arm stand er da wie zur Salzsäule erstarrt. Auf einmal begann seine Hand leicht zu zittern.
»Ruhig, Klufti«, krächzte Renn heiser und ging langsam auf den Kollegen zu. »Jetzt bloß nicht nervös werden. Ich nehm dir nun die Flasche aus der Hand, und es kann überhaupt nichts passieren. Glaub mir.«
Kluftinger wurde es unerträglich heiß. Arme und Beine begannen zu kribbeln, Schweiß rann von seiner Stirn in die Augen.
Schließlich nahm ihm Renn mit festem Griff die Flasche aus der Hand.
Allmählich löste sich Kluftinger aus seiner Erstarrung. Seine Anspannung machte einer elenden Übelkeit Platz. Der Kommissar taumelte zur Balkontür, zog sie auf und stolperte hinaus. Gierig sog er die frische Luft ein und beruhigte sich tatsächlich wieder ein wenig.
Ein »Hallo!« riss ihn aus seinem Dämmerzustand. Kluftinger sah hoch. Auf dem Balkon nebenan stand ein Mann und rauchte. Der Kommissar versuchte sich darauf zu besinnen, wer genau das war. Der andere schien ebenfalls überrascht, den Kommissar hier zu sehen.
Dann fiel es ihm ein: Natürlich, das war der Mann, mit dem zusammen er für die Fackeln verantwortlich war. »Hallo. Äh … alles klar?«
In dem Moment betrat Faruk Yildrim den kleinen Balkon. Der Nachbar verabschiedete sich noch mit einem »Bis später«, drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und verschwand in seiner Wohnung.
»Na, Kluftinger, geht es besser?«
»Danke, ja.«
»Sie kennen in Altusried wohl jeden, oder?« Yildrim klopfte dem Kommissar aufmunternd auf die Schulter und ging mit ihm zurück in die Wohnung.
»War Absinth, Klufti!«, grinste Renn den Kommissar an und schüttelte demonstrativ die Flasche, die der Kommissar eben noch in der Hand gehalten hatte. »Aber sicher ist sicher.«
»Danke, Willi«, entgegnete Kluftinger bitter.
»Hier!« Marlene Lahm hatte von dem kleinen Nachttisch ein Fläschchen genommen. »Rosenwasser!«
Yildrim wandte sich nunmehr dem Tapeziertisch zu. »Zeichnungen von Elektroinstallationen, Versorgungspläne. Dieser hier dürfte von irgendeinem großen Gebäude sein«, murmelte er, einen der Bögen hochhaltend.
»Wo könnte das sein?«, wollte Kluftinger wissen, der sich wieder gefangen hatte.
»Lassen Sie mich nachsehen. Ich habe noch nichts gefunden. Hm. Wenn wir das nur wüssten«, sagte Yildrim leise, »dann wären wir schon unterwegs dorthin.«
Hastig wühlte er die Pläne durch. Kluftinger nahm sich weitere, die auf dem Boden lagen.
»Nichts«, sagte Yildrim schließlich. »Kein Hinweis.« Er sah zu Kluftinger, doch auch der schüttelte den Kopf.
»Wenn wir nicht bald rausbekommen, um welches Gebäude es sich hier handelt, ist das nicht mehr wert als Altpapier.«
Kluftingers Blick blieb an dem Papierkorb unter dem Tisch hängen. Der Papierkorb. Noch niemand hatte ihn durchgesehen. Er bückte sich und leerte ihn auf den Boden, kramte in dem Haufen und zog schließlich ein Stück buntes Papier heraus. Er war wie vom Donner gerührt. Das war es. Er besah es sich genau, bevor er es Yildrim übergab, der ihm gefolgt war.
»Verdammt, Kluftinger, das ist es!«, rief Yildrim aufgeregt.
Kluftinger nickte nur. Sein Mund war trocken.
»Wisst ihr, was das ist?«, fragte Yildrim in die Runde, überließ es aber Kluftinger, für Klarheit zu sorgen: »Eine Quittung für eine EM-Eintrittskarte. Für heute Abend. Tivoli-Stadion Innsbruck. Anpfiff zwanzig Uhr, Einlass ab siebzehn Uhr.«
Yildrim zog sein Handy aus der Tasche und forderte den Helikopter an, der in Kempten bereitstand. Man solle Bydlinski gleich von dort mitbringen. Er sah auf die Uhr.
»Kluftinger, Sie haben
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