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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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Techniker die DVD vorgenommen, die man bei Morodov gefunden hatte. Kluftinger war es auf einmal wieder eingefallen: Ihm war, als hätte er eine Stelle im Stadion wieder und wieder auf dem Film gesehen. Das musste es sein. Er bat die Kollegen, die nach wie vor versuchten, aus den beschädigten Stellen am Ende des Films brauchbare Bilder herauszubekommen, ihm den Anfang noch einmal zu zeigen. Tatsächlich. Es handelte sich um eine Art Säule oder einen Stützpfeiler unter der Tribüne. Immer wieder besah sich Kluftinger das
    Material. Sicher gab es viele solcher … Da!
    »Zurück, nur ein kleines Stück!«
    Tatsächlich: »D4« stand hinter der Säule an der Wand. Damit musste die Stelle eindeutig zu identifizieren sein. Sofort gab Kluftinger Yildrim seine Information durch, der bedankte sich kurz und legte auf.
    Vorbei. Er konnte nun nichts mehr ausrichten. War vom weiteren Geschehen völlig abgekoppelt. Ob er den Leuten im Videoraum sagen sollte, dass sie aufhören könnten? Schließlich hatten sie gefunden, wonach sie gesucht hatten. Doch er verwarf den Gedanken. Eigentlich mehr aus Lethargie als aus einem wirklichen Grund. Noch vor einer Minute hatte er regelrecht unter Strom gestanden, nun lähmte ihn eine seltsame Leere.
    Jetzt half nur noch hoffen. Hoffen und beten. Langsamen Schrittes begab sich Kluftinger in sein Büro. Er ging zu seinem Tisch, setzte sich, stützte sein Gesicht in die Hände und rieb sich die Augen. Sollte das alles gewesen sein? War es die richtige Säule, die er durchgegeben hatte? War es die einzige? Konnte er nichts weiter tun als abwarten?
    Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Die »Rote Sonne von Barbados« klang heute wie Hohn in seinen Ohren.
    »Kluftinger, wir haben sie«, rief Yildrim. »Nun geht es darum, sie möglichst schnell und unauffällig zu entschärfen. Guter Mann, Kluftinger! Tolle Arbeit, seien Sie stolz. Und nun gehen Sie zu Ihrem Freilichtspiel. Die brauchen Sie auch, die Leute dort. Wir halten ständigen Handykontakt mit Ihnen. Gehen Sie nach Hause, hören Sie? Spielen Sie Ihre Rolle gut, toi, toi, toi!«
    Dann war die Leitung tot. Kluftinger stutzte: In dieser Lage dachte Yildrim noch an sein Engagement beim Freilichtspiel. Wirklich ein außergewöhnlicher Chef, ein Polizist, ja, ein Mensch der Extraklasse.
    Eine Weile saß Kluftinger noch an seinem Schreibtisch, die Beine auf die Tischfläche gelegt, und starrte vor sich hin. Dann hatte er einen Entschluss gefasst.

Noch 1 Stunde, 40 Minuten, 51 Sekunden
    Eigentlich hätte Kluftinger erleichtert, ja geradezu glücklich sein müssen über die Wendung in ihrem Fall. Sie hatten das Ziel endlich ausgemacht, die Bombe gefunden. Und er war fest davon überzeugt, dass die Kollegen sie auch entschärfen würden. Und trotzdem: Er hatte kein gutes Gefühl, wäre jetzt lieber am Ort des Geschehens gewesen. Auch der Spaziergang hinunter ins Freilichtgelände konnte seine Anspannung nicht lindern, andauernd sah er nervös auf sein Handy, denn Yildrim hatte ihm versprochen, sofort anzurufen, wenn es etwas Neues gab.
    Als er den überfüllten Parkplatz passiert hatte und in den Feldweg zum Gelände einbog, hörte er, dass die Eröffnungszeremonie bereits in vollem Gange war. Die Musikkapelle hatte gerade aufgehört zu spielen, und der Schirmherr der Veranstaltung, der bayerische Landwirtschaftsminister Schuster, selbst Allgäuer, hielt eine kurze Rede. Eigentlich liebte er diese Mischung aus Vorfreude und Lampenfieber vor einer Premiere, doch heute kam ihm das alles unwirklich und fremd vor.
    Eine gewisse Vertrautheit stellte sich erst ein, als er die Katakomben der Tribüne betrat und ihm einige gut gelaunte Spieler im Kostüm entgegenkamen, ihn fröhlich lachend begrüßten, manche mit einem Glas Bier oder Sekt in der Hand und alle guter Laune.
    »Habt ihr den Hösch gesehen?«, fragte Kluftinger eine Gruppe schwarz gekleideter Landsknechte, die mit ihren Lanzen an ihm vorbeiliefen.
    »Ja, hast du nicht gehört? Der hält gerade eine seiner überflüssigen Reden«, antwortete einer.
    Kluftinger bog nach links in den Musikbunker, der, vom Publikum ungesehen, einen Blick auf die Bühne freigab. Und wurde von Paul, dem Posaunisten, mit Kopfnicken begrüßt. Auch »das Tenorhorn«, Gregor Merk, winkte ihm zu. Kluftinger sah hinaus: Tatsächlich stand inmitten der weitläufigen Bühne vor einem Mikrofon der Bürgermeister – im gleichen Kostüm wie Kluftinger. Er hatte sich heute Abend eigentlich für seine

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