Laienspiel
keineswegs gestoppt war. Wie bei dem Postfach in Innsbruck, das auch noch frequentiert wurde, nachdem die Kollegen seinen Inhaber hochgenommen hatten, schien auch hier der Plan eines Bombenattentats – worauf auch immer – noch nicht vereitelt.
Nun starrten die vier Kommissare mit bitterer Miene auf den Laptop, der auf Kluftingers Schreibtisch stand.
»Und wenn …« Hefele musste sich räuspern, weil seine Stimme nach dem langen, angestrengten Schweigen belegt war. Die anderen sahen ihn erwartungsvoll an. »… und wenn es … doch vorbei ist? Ich meine, der E-Mail-Schreiber hat ja nicht gewusst, dass Schumacher nicht mehr lebt.«
Kluftinger hatte einen ähnlichen Gedanken schon vor einigen Minuten gehabt, ihn jedoch gleich wieder verworfen.
»Herrgott, Roland, jetzt denk doch mal nach!« Maiers Tonfall war noch immer ungewöhnlich aggressiv. »Soll ich’s dir noch mal vorlesen?« Er stand auf, ging um den Schreibtisch herum und las laut vor, was auf dem Bildschirm stand: »Ordnet eure weltlichen Dinge, denn der große Tag ist nicht mehr fern. Die Fäden müssen jetzt geknüpft werden zu engen Netzen. So eng, dass auch die kleinen Fische nicht entkommen am großen Tag. Teilt mir innerhalb des nächsten Stundenpaares mit, wie dicht eure Maschen schon sind. Sagt, wie weit ihr auf dem Weg gekommen seid!« Maier blickte auf, kniff die Augen zusammen und sagte dann: »Ihr! Hörst du? Da steht ›ihr‹. Es muss also noch mehr von denen geben.«
Wieder machte sich betretenes Schweigen breit. Hefele blickte zu Boden. Normalerweise hätte er seinen Kollegen nicht so mit sich reden lassen, doch was hier heute geschah, war alles andere als normal.
»Und es gibt keine Chance, den Absender rauszufinden?«, fragte Kluftinger noch einmal.
Maier schüttelte den Kopf: »Ich hab alles versucht. Hab sogar einen Kollegen von der Abteilung Internetkriminaliät um Rat gefragt. Wer immer diese Mail geschickt hat, kennt sich aus. Die Nachricht ging über so viele Router auf der ganzen Welt, da kannst du ewig suchen und kommst doch nie auf die eigentliche Quelle.«
Kluftinger nickte. Er wusste zwar nicht, was Router waren, aber hier kannte Maier sich aus, das stand fest.
»Kreuzhimmelsakrament!«, fluchte er und schlug mit der Hand so fest auf den Tisch, dass der Laptop einen Satz machte.
»Gibt es denn wenigstens eine Möglichkeit, die anderen Adressaten rauszufinden?«, erkundigte sich Strobl.
Wieder schüttelte Maier den Kopf. »Keine Chance. Trotzdem versucht es der Kollege. Aber wenn du mich fragst, ist das aussichtslos.«
Ein paar Minuten herrschte wieder bedrückende Stille, dann setzte sich Kluftinger plötzlich kerzengerade hin. »Mein Gott, wir haben in unserem Selbstmitleid einen Punkt völlig vergessen.«
Seine Kollegen blickten ihn stirnrunzelnd an.
»Was denn?«, wollte Maier wissen, der sich ein wenig angegriffen fühlte. Er hatte sie doch überhaupt erst auf den aktuellen Stand gebracht.
»Ihr habt doch gelesen: Wer immer es geschrieben hat, erwartet in den nächsten zwei Stunden eine Antwort.«
Die anderen schluckten. Tatsächlich, daran hatten sie in ihrem Schockzustand gar nicht gedacht.
»Wann ist die Mail gekommen?«, fragte Kluftinger.
Maier drehte den Rechner zu sich und tippte kurz einige Tasten. »Vor genau einer Stunde und vierzig Minuten.«
Kluftinger schluckte. »Mein Gott! Dann bleiben uns nur noch zwanzig Minuten für eine Antwort.«
Strobl winkte ab: »Wir können ihm doch nicht antworten, wenn wir die Adresse nicht haben.«
»Das ist so nicht ganz richtig«, widersprach Maier. »Natürlich gibt es eine Absenderadresse. Aber die ist wie ein … ein Briefkasten in einem Briefkasten. Es handelt sich da im Endeffekt um dasselbe Prinzip wie bei diesen russischen Puppen. Wenn du einen Briefkasten aufmachst, kommt ein neuer raus. Und jeder schickt den Brief an eine andere Adresse.«
Verwirrt sahen sich die Männer an. »Aber wenn ein Briefkasten ihn gleich woanders hin verschickt, wie soll der Brief dann in den anderen Briefkasten darin kommen?«, fragte Hefele nun fast angriffslustig.
»Bitte, Leute, beruhigt euch«, versuchte Kluftinger sie zu beschwichtigen, dem von so vielen ineinander verschachtelten Kästen schon der Kopf schwirrte. »Ich glaube, wir haben alle verstanden, was Richard meint.« Das war zwar zumindest in seinem Fall glattweg gelogen, aber die Kernaussage war immerhin klar: Sie konnten den Absender nicht ausfindig machen, aber sie konnten ihm antworten. Sie
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