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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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mit: ›Und selbst, Bruder?‹«
    Seine Kollegen nickten zustimmend, doch Markus schüttelte den Kopf: »Wieso Bruder? Es könnte doch auch eine Schwester sein … Außerdem hört sich das jetzt eher nach Stammtisch an.«
    Der Blick seines Vaters sagte ihm deutlich, was der von seinem Einwand hielt.
    »Ihr müsst euch so knapp wie möglich fassen, denn mit jedem Wort könnt ihr den Code verletzten. Vielleicht: ›Jeder Weg führt dereinst zum Ziel, doch stets ist Fortkommens.‹ Je weniger Wörter, desto besser. Auch solltet ihr in der Aussage möglichst vage bleiben. Und natürlich müsst ihr auch aufpassen, dass ihr in dieser blumigen Sprache …«
    »Müsst, sollt, dürft … also weißt du, Markus, dieses theoretische Gebrabbel ist ja vielleicht in der Uni ganz wichtig, aber das hilft uns hier jetzt überhaupt nicht weiter. Da hätt ich mir schon mehr versprochen«, unterbrach ihn sein Vater ungehalten. »Wir müssen handeln, schnelle, konkrete Entscheidungen treffen, das wirst du in deinem Praktikum auch noch lernen. Bisher hast du noch nichts wirklich Konkretes beigetragen.«
    Verdutzt sah Markus erst seinen Vater, dann die anderen Beamten an, die peinlich berührt zu Boden blickten. Die Stimmung, wegen des Zeitdrucks schon reichlich gespannt, schien sich durch den sich anbahnenden Vater-Sohn-Konflikt noch weiter aufzuheizen.
    »Weißt du was? Dann geh ich jetzt und lern wieder was über die Praxis. Meine Theorie hab ich euch ja mitgeteilt, vielleicht könnt ihr das besser umsetzen.« Mit diesen Worten knallte Markus den Computer auf den Schreibtisch seines Vaters und verließ das Büro.
    »Mein Gott, diese Studenten, die vertragen auch gar nix. Wird noch eine Menge lernen müssen«, rief Kluftinger laut in Richtung Tür in der Hoffnung, sein Sohn würde ihn noch hören.
    Maier schnappte sich den Computer wieder und las Markus’ Vorschlag vor.
    »Fortkommens?«, fragte Strobl mit zusammengezogenen Brauen. »Versteht ihr das?«
    Das Kopfschütteln der anderen war Maier Rechtfertigung genug, die beiden Zeilen, die Kluftinger junior vorgeschlagen hatte, kurzerhand zu löschen.
    Kluftinger blickte nervös auf die Uhr. »Noch sechs Minuten. Herrgott Männer, uns wird doch noch irgendwas einfallen, oder?« Er wollte seinen Kollegen herausfordernd in die Augen schauen, doch sie hatten den Blick abgewendet. Hefele zwirbelte seinen schwarzen Schnurrbart, Strobl untersuchte akribisch seine Fingernägel, und Maier putzte das Display seines Diktiergerätes, das er immer bei sich hatte. Nur das Radio erfüllte den Raum mit leiser Hintergrundmusik.
    Nach ein paar Sekunden begann Maier seinen Kopf im Takt des Liedes zu wiegen, das gerade gespielt wurde. Dann begann sein Fuß zu wippen und seine Lippen formten erst lautlos, dann flüsternd die Worte des Liedtextes: »… wird kein leichter sein … steinig und schwer …«
    Kluftinger sah den singenden Kollegen entgeistert an und wollte gerade seiner Anspannung in Form einer Standpauke Luft machen, da klappte sein Kiefer nach unten. Bevor er etwas sagen konnte, weiteten sich Maiers Augen, und er ließ sein Diktiergerät fallen.
    »Meinst du …«, begann Kluftinger, vollendete den Satz jedoch nicht.
    »Genau, das ist es!«, erwiderte Maier aufgeregt.
    Strobl und Hefele hoben fragend die Augenbrauen und betrachteten gespannt die Kollegen.
    Kluftinger drehte das kleine Radio lauter. Er sprach die Sätze nach, die eine sanfte Männerstimme sang: »Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.«
    Jetzt verstanden auch die anderen. Sie rutschten auf ihren Stühlen nach vorn und nickten sich aufgeregt zu.
    »Gegenfrage. Wir brauchen noch eine Gegenfrage«, rief Kluftinger und blickte auf die Uhr. Noch drei Minuten.
    »Pscht!«, zischte Maier und legte seinen Zeigefinger an die Lippen. Atemlos lauschten sie den nächsten Zeilen: »… manche segnen dich, setz dein Segel nicht, wenn der Wind das Meer aufbraust …«
    »Ich hab’s«, schrie Maier mit sich überschlagender Stimme.
    »Das war doch keine Frage«, protestierte Hefele.
    »Noch nicht, aber wart mal: ›Setzt du die Segel, wenn der Wind das Meer aufbraust?‹« Maier las laut mit, während er den Text eintippte. Dann blickte er auf, fragte »O.K.?« und hielt den ausgestreckten Zeigefinger über die Eingabetaste.
    Einer nach dem anderen nickte zögernd. Es war sowieso egal: Sie hatten noch knappe zwei Minuten. Entweder sie schickten diese Botschaft los, oder sie würden mit leeren Händen

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