Laienspiel
schlagartig wurde ihnen klar, weswegen der vor wenigen Minuten noch so erregte Direktionsleiter nun so sanft und freundlich zu ihnen sprach. Sie hätten mit ihrer unbürokratischen Zusammenarbeit genau richtig gelegen. Er schloss mit dem entlarvenden Satz: »Do werdn ma sauba dosteh vorm Innenminista.«
Nach gegenseitigem Schulterklopfen versprach er ihnen noch, den Innenminister in Kenntnis zu setzen und nicht zu verschweigen, dass seine Idee mit der bilateralen Zusammenarbeit so erfolgreich gewesen sei.
Die anderen sahen sich wissend an. Lodenbacher verstand es gut, sich für Erfolge anderer loben zu lassen, sei es von der Presse oder im Ministerium. Und sie wussten auch, dass er sich bei Ausrutschern oder Niederlagen keinen Millimeter vor sie stellte, sondern alles auf seine Mitarbeiter abwälzte.
Immerhin war er nun fest entschlossen, für diesen »fuiminandn Erfoig« eine Brotzeit für alle auszugeben, und er beauftragte Hefele damit, sie zu holen: »Wiener, Weißwürscht, Brezn und ois, wos ma braucht.«
Hefele wandte sich schon zum Gehen, da schob Lodenbacher noch nach: »Zum Tringa frogn S’ hoit, wos olle woin, und lossn S’ Eahna as Göid mitgebn. Und für mi zwoa Poor Weißwürscht und zwoa Brezn.«
»Danke, Roland. Das hätt’s doch nicht gebraucht, mit den Getränken. Noch dazu einen ganzen Kasten Weizen«, sagte Kluftinger, in der einen Hand eine Debrecziner Wurst, in der anderen eine Butterbreze.
»Wirklisch, Roland, ’n rischtisch großzügischer Mann biste«, schloss sich Sandy Henske an und sagte das, obwohl sie gleich neben Hefele stand, so laut, dass es alle hören konnten.
»Der ist froh, dass der Bydlinski wieder weg ist, damit der die Sandy nicht mehr angraben kann«, raunte Strobl Kluftinger zu, der vielsagend nickte.
Alle plauderten ausgelassen miteinander, sogar Lodenbacher gab sich volksnah und hörte den Gesprächen der anderen ausnahmsweise zu, bevor er seine eigenen Geschichten beisteuerte. Es roch wie auf dem Kemptener Wochenmarkt, wo Kluftinger seit über fünfzig Jahren Wienerle, Debrecziner oder »Bauernschübling«, eine scharfe Wurstspezialität, aß. Zuerst mit der Oma, dann mit Freunden, dann mit Erika, dann mit Markus im Schlepptau und bald möglicherweise mit den eigenen Enkelkindern, wer konnte das schon sagen.
Kluftinger wollte die anderen gerade an seiner nostalgischen Stimmung teilhaben lassen, da flog die Tür auf und Maier stürmte in den Raum. Kluftinger wollte sich gerade entschuldigen, dass sie ihn bei der Brotzeit ganz vergessen hatten, und ihn einladen, sich doch auch etwas zu nehmen, schließlich sei ja noch von allem reichlich da, als ihm auffiel, dass Maiers Gesicht leichenblass war. Verstört blickte er in die Runde, schien gar nicht verstehen zu können, was gerade vor sich ging. Kluftinger hätte nicht gedacht, dass Maier dieses kleine Versehen so aus der Bahn werfen würde.
»Au weh, Richie, jetzt haben wir dich glatt vergessen«, kam Strobl dem Kommissar zuvor, »aber nimm dir doch auch ein Paar Wienerle.«
Maier stammelte nur: »Es gibt was Wichtigeres als Brotzeit. Hört zu …«
»Jetzt verkrampf halt nicht so, wir haben ja was zu feiern«, unterbrach ihn Strobl. »Sei nicht so ungemütlich und überkorrekt!«
Maier sagte etwas, was aber im allgemeinen Gemurmel unterging. Er sah jetzt nicht mehr überrascht, sondern zornig aus. Mit bitterer Miene ging er zum Tisch, auf dem sich die Brotzeit befand.
Doch statt sich ein Würstchen aus dem Topf zu nehmen, schlug er so fest mit der Hand auf die Tischplatte, dass das Wasser im Topf überschwappte. Als er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte, brüllte er mit sich überschlagender Stimme: »Es geht weiter, ihr verfressenen Idioten!«
Die Männer saßen betreten um Kluftingers Schreibtisch herum. Die ausgelassene Stimmung, in der sie vor einer Viertelstunde noch gemeinsam ihr zweites Frühstück verspeist hatten, war einer bleiernen Apathie gewichen. Der Schock über Maiers Nachricht und die drastische Art und Weise, in der er diese vorgebracht hatte, saß zu tief, als dass sie sich noch über ihre bisherigen schnellen Ermittlungsergebnisse hätten freuen können.
Maier hatte ein wenig abseits von den anderen Platz genommen, als fühle er sich mitschuldig an dem, was er herausgefunden hatte: Eine weitere E-Mail, die erst vor Kurzem im Postfach des Selbstmörders eingegangen war und die er inzwischen entschlüsselt hatte, ließ keinen anderen Befund zu, als dass der Countdown
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