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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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einmal: Der Terrorismus benötigt Öffentlichkeit, und die wäre hier zweifelsohne gegeben. Doch es spricht noch mehr für dieses Sportereignis als Ziel: Moderner Terror funktioniert nach der Methode ›Low Key, Low Cost‹. Das bedeutet, dass schon ein kleiner Anschlag mit relativ geringen Mitteln verheerende Auswirkungen hat. Denken Sie nur an Bali mit seinen zweihundertzwei Toten im Jahr 2002, an Madrid im Jahr 2004 mit hundertzweiundneunzig Toten oder an London 2005 mit zweiundfünfzig Toten.«
    Kluftinger war vom Faktenwissen des Mannes beeindruckt.
    »Wie viele Opfer mehr wären wohl in einem voll besetzten Fußballstadion zu beklagen? Durch den Anschlag und die daraufhin einsetzende Panik? Hunderte? Tausende?«
    Wieder ließ Yildrim seine Worte in den Köpfen der Anwesenden nachhallen, bevor er fortfuhr. Inzwischen blickte er in große Augen und bleiche Gesichter. »Schließlich ist ein derartiger sportlicher Wettkampf auch ein emotional aufgeladenes Ereignis. Und ein Fest des großen Geldes, das wirft man dem Sport schließlich immer wieder vor. Kurz gesagt: ein Symbol für unseren aus islamistischer Sicht oberflächlichen, konsumorientierten, gottlosen Lebensstil. Und wenn es etwas gibt, worauf Terroristen wirklich abfahren, dann sind es Symbole.« Yildrim räusperte sich. Es war ihm offenbar ein wenig peinlich, dass er eine für ihn ungewohnt legere Sprache im Zusammenhang mit der Schilderung des Bedrohungsszenarios benutzt hatte.
    »So, und jetzt sehen Sie sich noch folgende Zeile genau an«, fuhr er fort, und nach einem weiteren Mausklick erschienen zwei Wörter auf der Leinwand, mit denen Kluftinger nicht das Geringste anfangen konnte. Er konnte sie noch nicht einmal innerlich aussprechen, geschweige denn laut.
    »Nun, was Sie hier sehen, ist Teil der Betreffzeile einer E-Mail, die wir zunächst als völlig unsinnigen Buchstabensalat abgetan haben. Erst später sind wir darauf gestoßen, dass es sich hier um die Transkription zweier Wörter aus der tadschikisch-persischen Sprache handelt. Sie unterscheidet sich in einigen Bereichen vom klassischen Persisch, wie es in Afghanistan oder dem Iran gesprochen wird. Und deswegen sind wir nicht gleich darauf gekommen. So sieht das Wort in arabischen Schriftzeichen aus.«
    Yildrim drückte auf den Laptop, wartete ein paar Sekunden und fuhr fort: »Die Wörter bedeuten ›wichtiges gemeinsames Spiel‹ und wir wissen, dass ›Spiel‹ in Farsi, wie das Persische international heißt, in etwa die gleichen Konnotationen hat wie im Deutschen. Kinderspiel, Theaterspiel und das sportliche Spiel, darüber hinaus heißt es Wettstreit und zudem einfach auch etwas wie ›gemeinsames Vorhaben‹. Sie sehen, das Fußballmatch läge also durchaus nahe«, endete Yildrim.
    Kluftinger hatte seinen Ausführungen gebannt gelauscht. Er war schockiert und fasziniert gleichermaßen. Was er in dieser kurzen Zeit, seit er den Raum betreten hatte, über Terrorismus gelernt hatte, war mehr als in seinem bisherigen Leben zusammen.
    Plötzlich flog die Tür auf, und Lodenbacher stand im Zimmer. Er fuchtelte aufgeregt mit den Händen in der Luft herum und sagte irgendetwas, von dem Kluftinger nur »Anruf«, »dringend« und »Minister« verstand. Yildrim konnte sich offenbar einen Reim auf Lodenbachers panisches Gefuchtel machen, denn er nickte, bedeutete ihm, Platz zu nehmen, und drückte auf einen Knopf auf dem Telefon vor ihm.
    Aus dem Lautsprecher drang eine sonore Stimme, die Kluftinger von irgendwoher bekannt vorkam: »Guten Tag Frau Lahm, guten Tag meine Herren«, sagte sie.
    »Guten Tag, Herr Staatsminister«, antwortete Yildrim.
    Kluftinger und Renn blickten sich an. Minister? Doch nicht etwa …
    »Ich will Sie nicht lange aufhalten«, tönte die Stimme weiter. »Erlauben Sie mir dennoch ein paar kurze Worte: Was Sie hier tun, das brauche ich nicht extra zu betonen, ist von allergrößter Wichtigkeit. Ihre Arbeit in der Task Force genießt Top-Priorität.«
    Kluftinger fühlte sich an eine Fernsehserie aus den Siebzigerjahren erinnert: Drei muntere, hübsche Detektivinnen bekamen darin von ihrem Chef die Anweisungen immer per Lautsprecher übermittelt. Er ließ seinen Blick schweifen: Seine Kollegen waren, mit Ausnahme von Frau Lahm vielleicht, weder besonders hübsch, noch wirkten sie munter. Und wie Engel – die Serie hieß »Drei Engel für Charlie«, das war ihm eben wieder eingefallen – sah nun wirklich niemand von ihnen aus.
    »Alles muss mit äußerster Diskretion

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