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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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Unentspannter.«
    Da Bydlinski keine Anstalten machte, zu gehen, wandte sich Kluftinger wortlos um und verließ das Lokal. Bydlinski verabschiedete sich hastig und lief ihm nach.
    »Was sollte das denn jetzt, Kollege? Sie sind nicht zum Saufen hier. Das gibt sowieso eine peinliche Vorstellung, wenn wir mit völlig leeren Händen zurück ins Präsidium kommen.«
    »Wieso mit leeren Händen?«
    »Ich habe den Wirt vernommen, während Sie hier mit Ihren neuen Freuden gepichelt haben. Und ich habe leider nicht das Geringste erfahren.«
    »Ich hab schon was«, grinste Bydlinski.
    »Ja, einen Rausch im Gesicht«, gab Kluftinger zurück.
    »Nein, Tik.«
    »Ja, das auch, das brauchen Sie jetzt nicht extra betonen.«
    »Nein, T – I – K, verstehst? Tadschikisch-islamischer Kulturverein. Stadtteil Kottern. Noch Fragen, Kara Ben Nemsi? Ihr könnt’s noch viel lernen von uns Kieberern, ihr Piefkes.«

Noch 5 Tage, 12 Stunden, 0 Minuten, 3 Sekunden
    Der Ausländeranteil in diesem Viertel in Kempten war ähnlich hoch wie in Thingers. Nur herrschte hier, in diesem eingemeindeten Stadtteil, eine andere Struktur als im Kemptener Hochhausbezirk. In Kottern hatte sich mit der Industrialisierung die Textilindustrie angesiedelt. Und für die Baumwollfabriken hatte man Arbeitskräfte gebraucht. Die wurden in Italien rekrutiert und in einfachen, aber ausreichend dimensionierten Wohnungen einquartiert. Die Zahl der Italiener war hier noch in den Achtzigerjahren so hoch gewesen, dass man rein italienischsprachigen Unterricht an der Volksschule anbot. Nach und nach war aber aus dem italienischen Viertel durch Zuzug von jugoslawischen und türkischen Arbeiterfamilien ein internationaler Stadtbezirk geworden. Doch nie wurde Kottern zum sozialen Brennpunkt. Es herrschte eine Arbeiterkultur des Miteinanders und der gegenseitigen Akzeptanz, auch wenn die Häuser zusehends verfielen und viele ausländische Familien in schöneren Vororten ihr Reihenhäuschen bezogen hatten. Immer mehr Wohnungsleerstände waren die Folge. Und anscheinend war aus diesem Grund auch der Tadschikische Kulturverein hier eingezogen.
    Zusammen mit Bydlinski war Kluftinger nach der morgendlichen Besprechung gleich zu der Adresse gefahren, die sein österreichischer Kollege gestern so geschickt den Gästen der Kneipe entlockt hatte. Nun, da sein Groll verraucht war, zollte ihm Kluftinger dafür Respekt.
    Das alte Haus, zu dem die Adresse gehörte, war Teil einer Arbeitersiedlung aus den Zwanzigerjahren. Die Häuserreihe lag schräg an einer leichten Steigung. Die schmale Straße war in schlechtem Zustand: Überall war das alte Kopfsteinpflaster mit Teer geflickt. Er parkte seinen Wagen vor dem Haus mit der Nummer drei. Die Fassade war einst dunkelgrün getüncht gewesen, mit der Zeit aber sehr ausgeblichen. An beinahe jedem der Fenster war eine Satellitenschüssel angebracht.
    Auf den teilweise demolierten Klingelschildern standen viele ausländische Namen. Nur auf einem Schild prangten lediglich drei Buchstaben, geschrieben mit einem dicken, schwarzen Stift: TIK. Bydlinski drückte den Knopf mehrmals, als habe er es besonders eilig. Ein Summer ertönte, und Kluftinger drückte die Tür auf. Das Treppenhaus war düster und roch muffig. Blecherne, verbeulte Briefkästen hingen auf der rechten Seite, gegenüber befand sich ein großer Sicherungsschrank ohne Abdeckung, aus dem einige Kabel heraushingen. Da es keinen Aufzug gab, mussten sie den dritten Stock zu Fuß über eine ausgetretene Holztreppe erklimmen. Ein vielleicht sechzig Jahre alter Mann mit dunklem Haar und grauem Bart erwartete sie dort in einer offen stehenden Tür.
    »Wer sind Sie?«, fragte er kurz, aber mit einem freundlichen Lächeln, bei dem er seine gelben Zähne zeigte. Entweder ein starker Raucher oder ein leidenschaftlicher Teetrinker, vermutete Kluftinger. Er entschied sich für Letzteres, denn der Bart wies keine Verfärbungen auf, was bei einem Raucher der Fall gewesen wäre.
    Der Kommissar holte ein paar Mal tief Luft, denn vom Treppensteigen war er etwas außer Atem. »Kluftinger, Kripo Kempten«, sagte er schließlich. Dann deutete er mit der Hand auf seinen Kollegen. »Bydlinski.«
    Der Bärtige schien nicht überrascht zu sein. Er zeigte überhaupt keine Regung und lächelte sie gleichbleibend freundlich an. »Bitte, kommen Sie doch herein«, forderte er sie auf. Es schien fast, als habe er sie erwartet.
    Als sie die Wohnung betraten, flüsterte Bydlinski dem Kommissar ins Ohr: »Der

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