Laienspiel
massiven Theke hing ein Leuchtkasten mit dem Schriftzug einer Münchner Brauerei, über die fünf Tische in der Gaststube fiel gedämpftes Licht aus dunklen, mit grobem Stoff bezogenen Lampen.
Die Stahlrohrstühle mit kunstledernen Bezügen, die um die Tische standen, waren trotz der frühen Stunde fast alle besetzt, überwiegend von älteren, dunkelhaarigen Männern, die rauchten, Karten spielten oder lustlos an ihren Gläsern nippten. An einem Tisch spielten zwei höchstens Dreißigjährige in ballonseidenen Trainingsanzügen Backgammon. Beinahe alle Gäste tranken Tee und, wie Kluftinger vermutete, irgendetwas Hochprozentiges aus einer unetikettierten Flasche mit einer transparenten Flüssigkeit. Frauen schienen hier nicht zu verkehren.
Für einen kurzen Moment sahen alle Anwesenden die beiden Beamten an. Wie in diesen Western, dachte Kluftinger, wenn ein Cowboy den Saloon betritt und sofort Musik und Gespräche verstummen. Doch die Gäste verloren ziemlich schnell das Interesse an den Neuankömmlingen und wandten sich wieder ihren Gesprächen und Spielen zu.
Im Halbdunkel erkannte Kluftinger hinter der Theke einen schnauzbärtigen Mann um die fünfzig mit stechenden Augen und Bierbauch. Über seiner Schulter hing ein schmutziges, löcheriges Geschirrtuch. Der Kommissar ging auf ihn zu. Dass Bydlinski hinter ihm an der Eingangstür zurückblieb, war ihm gleichgültig. Eine fruchtbare Zusammenarbeit mit ihm bei einer Befragung konnte sich der Kommissar ohnehin nicht vorstellen.
An der Bar waren nur zwei der Hocker von älteren Männern besetzt, die sich angeregt in einer dem Kommissar fremden Sprache unterhielten. Kluftinger winkte den Wirt zu sich her.
»Bitte?«, sagte der, und schon in diesem einen Wort schwang ein Akzent mit, den Kluftinger am ehesten als Russisch bezeichnet hätte. »Was kann ich für die Polizei tun?«
Kluftinger hob verwundert die Augenbrauen. Er konnte sich nicht erinnern, hier schon einmal gewesen zu sein.
»Unser Wodka ist offiziell eingeführt und besteuert. Und letzten Monat war der Kammerjäger hier. Wir sind ungezieferfrei und mein Gesundheitszeugnis ist noch gültig.«
»Wir sind aus einem anderen Grund hier, Herr …«
»Kyritkov.«
»Herr Kyritkov, einer Ihrer Gäste, Tobias Schumacher, hat sich vor Kurzem das Leben genommen. Die Hintergründe sind uns unklar. Vielleicht können Sie uns weiterhelfen?«
Kluftinger legte ein Foto des Selbstmörders auf die Theke.
»Erkennen Sie ihn?«
Vladimir Kyritkov griff sich die Fotografie, warf einen schnellen Blick darauf und sagte im Brustton der Überzeugung: »Das ist keiner meiner Stammgäste.«
»Hören Sie, wir wissen, dass …«
»Nun, wenn Sie wissen, dann ist es ja gut«, fiel Kyritkov Kluftinger rüde ins Wort.
»Tobias Schumacher muss öfter hier bei Ihnen gewesen sein. Das ist uns bekannt …«
Plötzlich lachte der Wirt kehlig auf und fingerte eine Zigarette ohne Filter aus einem Päckchen, steckte sie sich mit einem Gasfeuerzeug in Form eines Frauentorsos an und nahm einen tiefen Lungenzug.
»Man wollte mir schon so viel anhängen.«
»Ich will Ihnen nichts anhängen. Ich will lediglich eine Information über diesen Mann.« Er nahm das Foto wieder an sich.
»Und ich habe gesagt, ich kann Ihnen nicht helfen«, beharrte Kyritkov ungerührt. Kluftinger war klar, dass er bei seinem Gegenüber nicht weiterkommen würde. Nicht hier, nicht unter diesen Umständen. Vielleicht in der Polizeidirektion. Wenn man diese Typen aus ihrer sicheren Umgebung heraus hatte, wurden sie oft etwas zahmer.
Doch in diesem Fall wollte er nichts überstürzt entscheiden. Schließlich war es diesmal nicht er, der die Ermittlungen leitete. Ein Umstand, an den sich Kluftinger erst gewöhnen musste.
Er würde also mit Yildrim das weitere Vorgehen absprechen, nicht dass er und Bydlinski noch Ärger bekämen.
Bydlinski. Wo war der eigentlich abgeblieben?
Kluftinger sah sich in der Kneipe um. Schließlich erblickte er seinen Kollegen, der an einem der Tische verkehrt herum auf einem der Stühle lümmelte und sich angeregt und lachend mit dreien der Männer unterhielt. Gerade wurde ihm in ein Trinkglas Schnaps nachgeschenkt, einer der Gäste klopfte dem Österreicher auf die Schulter.
Kluftinger hob verwundert die Augenbrauen, warf dem Wirt ein »Wir sprechen uns noch!« über die Theke zu und wandte sich dann an seinen Kollegen: »So, auf geht’s, genug gezecht.«
»Müssn S’ schon wieder pressieren? Sie sind mir ja ein ganz ein
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