Laienspiel
die er sehr gemocht hatte. Ob einem ein Name gefiel, hing maßgeblich davon ab, welche Erfahrungen man mit Personen gemacht hatte, die so hießen, dachte der Kommissar. Deswegen war »Martin« bei ihm auch für alle Zeiten unten durch. Kluftinger wollte Uta gerade etwas erwidern, da klatschte Hansjürgen in die Hände. Kluftinger hätte sie ihm am liebsten auf den Parkettboden genagelt, denn die Runde war sicher viel kürzer gewesen als die anderen, und er hätte gerne noch etwas länger …
»Mal wieder ein Duett, was?« Die Luft war auf einmal geschwängert von kaltem Rauch und die kratzige Stimme in seinem Rücken verriet ihm sofort, wer seine nächste Partnerin war. Seine Schultern senkten sich wieder.
»Sie haben sich ja prächtig unterhalten …«, sagte die Marx mit einem schiefen Grinsen und den Blick auf die Blondine gerichtet, die gerade in den fleischigen Armen des Gegenstücks zur dicken Frau verschwand.
»Wie?« Kluftinger sah ihr versonnen nach, dann räusperte er sich und antwortete: »Sie werden lachen, es ging sogar um unseren Fall. Sie hat mich … uns im Fernsehen gesehen.«
»Ja, das war schon eine dolle Sache, was?«, sagte sie grinsend und schob den Kommissar dabei wenig zimperlich übers Parkett. Sie führte noch immer gerne, daran hatte sich nichts geändert, dachte sich der Kommissar. »Tschuldigung«, raunzte sie, nachdem sie ihm heftig auf den Fuß getreten war. Auch hier übernahm sie also den Männer-Part. Kluftinger versuchte gerade den Gedanken abzuschütteln, wer denn in der Beziehung zu Günther Steinle wohl diese Rolle spielte, da wurde bereits wieder abgeklatscht. Er verabschiedete sich höflich von seiner Kollegin und wollte schon weitergehen, als sie ihm von hinten ins Gesäß kniff. Fassungslos drehte er sich um, doch sie war bereits bei ihrem neuen Partner angelangt.
Der Kommissar dachte noch einige Minuten über den Vorfall nach und nahm seine weiteren Partnerinnen gar nicht richtig wahr. Er war froh, als er endlich Annegret Langhammer erreichte; eine Station weiter wartete seine Frau, die jetzt mit dem Doktor tanzte. Die Ärmste, dachte sich Kluftinger. Doch es war ja nur noch eine kurze Runde.
»Der Martin bringt mich immer so außer Atem«, sagte Annegret, und Kluftinger musterte sie misstrauisch. Nach all dem schwitzenden Fleisch, den geröteten Wangen und den wogenden Brüsten vermutete er sofort eine sexuelle Konnotation in ihren Worten. Doch Annegret hatte tatsächlich nur das Tanzen gemeint.
Kluftinger nickte verständig. »Ja, ja, wie der die Frauen …«, durch die Gegend schleift, schoss es ihm durch den Kopf, »… fordert, das ist schon was.«
»Ich bin froh, wenn’s bald vorbei ist. Wissen Sie, Herr Kluftinger, ich bin eigentlich nicht so fürs Tänzerische. Aber der Martin, na ja, er tut’s halt so gern.«
Prüfend sah Kluftinger sie an. Meinte sie das ernst? Oder wollte sie ihn nur aufs Glatteis führen und nachher alles ihrem Mann petzen?
»Vielleicht können wir uns ja in die Ecke tanzen und dann einfach aufhören«, flüsterte sie verschwörerisch. Sie meinte es ernst. Ein patentes Mädle, dachte der Kommissar. Was für eine Verschwendung …
Nachdem sie den Anfang gemacht hatten, hörten nach und nach alle anderen Paare ebenfalls zu tanzen auf. Nur Erika und der Doktor schienen nicht genug bekommen zu können. Schwungvoll wirbelten sie übers Parkett, bis alle um sie herumstanden und ihnen zusahen.
Auf einmal hatte Kluftinger wieder das penetrante Parfum von Frau Riguccio in der Nase, wenige Sekunden später rammte sie ihm den Ellenbogen in die Seite und deutete mit ihrem Zeigestab auf das Tanzpaar: »Da konne Sie sick Beispiel nemme an Paar, tanze wie frisch Verliebte anne erste Tag!«
Dann klatschte Hansjürgen, und auch das letzte Paar trennte sich … unter dem Applaus der Umstehenden.
Erika kam mit erhitztem Gesicht strahlend zu ihrem Mann, schwang übermütig ihre Arme um ihn und seufzte: »Ach, der Martin, das ist halt ein Mann.«
Kluftinger tat nicht laut kund, was er sich gerade dachte: Die Annegret, das ist halt eine Frau! Dann läutete Hansjürgen eine Pause ein, in der man aber ruhig weitertanzen dürfe, wie er betonte.
Da weder er noch Annegret dazu zu überreden waren, auch noch in der Pause das Tanzbein zu schwingen, begaben sich Erika und der Doktor erneut in die Mitte des Saales. Da sind sie wenigstens verräumt, dachte Kluftinger bei sich. Als sich mit einem Ächzen Friedel Marx neben ihn in die Plüsch-Sitzgruppe
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