LaNague 02 - Mein Vater starb auf Jebinos
sein eigenes Land.
Die Sonne ging schon hinter den Bäumen unter, als er seinen Schlafsack auf einer kleinen Lichtung irgendwo zwischen dem Dorf der Vanek und Danzer ausbreitete. Er würde gut schlafen, besser, als er in vielen Jahren geschlafen hatte.
Kühl und feucht brach die Morgendämmerung herein. Aus seinem Rucksack holte Junior eine Dose mit Frühstücksrationen hervor und schaltete das Heizband ein. Zwei Minuten später ließ er sich die warme Mahlzeit schmecken.
Die Sonne war aufgegangen und vertrieb den Morgennebel, während er sich mit raschem Schritt Danzer näherte. Er hatte beschlossen, zur Stadt zu gehen und in der Nähe von Jeffers’ Laden zu bleiben, um zu beobachten, wie sich die Dinge im Laufe des Tages entwickeln würden. Und sollte sich der Ladenbesitzer irgendwann wundern, wo denn die ganzen Vanek steckten, würde Junior seine Meinung zum besten geben.
Ja, dachte er, der heutige Tag wird sicher sehr interessant werden.
Jeffers stand auf einer kleinen Leiter und füllte gerade eines der Regale auf, als Junior hereinkam.
»Morgen, Finch«, meinte er mit einem Blick über die Schulter. Junior war überrascht, daß sich Jeffers überhaupt an seinen Namen erinnerte. »Haben Sie sich inzwischen beruhigt?«
»Ja.«
»Freut mich. Möchten Sie frühstücken?«
»Danke, ich habe schon etwas gegessen. Aber ich nehme gern eine Tasse Kaffee, wenn Sie welchen haben.«
Jeffers lächelte, als er zwei Tassen Kaffee auf die Ladentheke stellte. »Haben Sie schon einmal Kaffee auf Jebinos getrunken?«
Junior schüttelte den Kopf.
»Dann geht dieser hier auf Kosten des Hauses. Man muß sich erst an unseren Kaffee gewöhnen, und vielleicht lassen Sie ihn nach dem ersten Schluck stehen.«
Zögernd bedankte sich Junior mit einem Kopfnicken. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte einfach keine persönliche Abneigung gegen Jeffers finden. Er versuchte den Kaffee; er hatte einen starken, bitteren Beigeschmack, und Jeffers’ Grinsen wurde breiter, als er sah, wie Junior ein paar Löffel Zucker in den Kaffee schüttete. Er probierte den Kaffee noch einmal und fand, daß er diesmal etwas besser schmeckte.
Nach einer Weile fragte Junior: »Was haben Sie eigentlich gegen die Vanek, Bill? Ich weiß, es geht mich nichts an, aber es interessiert mich einfach.«
»Sie haben recht, es geht Sie wirklich nichts an«, antwortete Jeffers kurz angebunden, zuckte aber dann mit den Schultern. »Soviel kann ich Ihnen jedenfalls sagen: Ich habe nichts Bestimmtes gegen sie. Sie kommen mir nur irgendwie sonderbar vor. Und dann regen sie mich auch auf mit all diesem Gerede über Räder, und ehrlich gesagt, ich mag es nicht, wenn sie hier herumsitzen.«
Junior nickte, mit den Gedanken nicht dabei. Jeffers dachte wirtschaftlich, und sie beide wußten das.
»Wann kommen gewöhnlich Ihre ersten vanekschen Kunden in den Laden?« fragte er.
»Sie sind immer die ersten frühmorgens.«
»Heute aber wohl nicht, stimmt’s?« bemerkte Junior vertraulich.
»In Scharen sind sie heute noch nicht hereingestürzt, wenn Sie das meinen. Gerade bevor Sie hereinkamen, sind noch zwei von ihnen hiergewesen … sie haben Nahrungsmittel eingekauft.« Er starrte Junior neugierig an. »Stimmt etwas nicht?«
»Nein, nein, es ist alles in Ordnung«, antwortete Junior hastig. Er war bei Jeffers’ Worten förmlich zusammengezuckt, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt. Allerdings bezweifelte er, seine Überraschung und Bestürzung lange verbergen zu können. »Danke für den Kaffee, Bill. Ich schaue wahrscheinlich später noch einmal herein.«
»Wann immer Sie Lust haben«, hörte er Jeffers noch sagen, als er hinaus auf die Straße ging.
Danzer war mittlerweile erwacht. Alle Geschäfte – es waren insgesamt vier einschließlich der Gemischtwarenhandlung – hatten geöffnet, und Farmer fuhren mit schweren Lastwagen die Straße hinauf und hinunter, einige mit Heu und Futter, andere mit Vieh beladen. Ein Pärchen, das auf dem Weg zu Jeffers’ Laden an ihm vorbeikam, nickte Junior freundlich zu.
Junior suchte mit den Augen die Straße nach einem Vanek ab. Er machte dabei eine Gestalt aus, die auf dem Gehsteig in seine Richtung eilte und lief ihr entgegen. Es war Rmrl.
»Endlich haben wir dich gefunden, Bendreth«, sagte der junge Vanek atemlos. Aufmerksam musterte er Juniors Gesicht. »Ich sehe, du weißt schon, was wir dir mitteilen wollen.«
Junior nickte bestätigend. »Ich weiß es. Aber was ich noch wissen will, ist warum?
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