LaNague 03 - Der Staatsfeind
»Wer weiß davon?«
»Niemand außer dir, mir und dem Mann, der den Zwischenraumfunkspruch decodiert hat, und der steht auf unserer Seite.«
LaNague seufzte etwas erleichtert auf. Es war keine erfreuliche Situation, aber sie hätte schlimmer sein können. »In Ordnung. Sende eine Nachricht zurück, wie vorher ausgemacht. Der Pilot soll sofort nach Throne zurückkehren, und zwar ohne weitere Kontaktaufnahme, bis er das Sonnensystem erreicht hat, und auch dann soll er nur sein Schiff identifizieren und auf keine Fragen reagieren, bis er von einer Orbitalfähre aufgenommen und zur Befragung heruntergebracht wird. Sorge dafür, daß die Nachricht des Erkundungsschiffes aus dem Computer gelöscht wird. Niemand soll vom Inhalt der Nachricht wissen. Verstanden?« Wolverton nickte. »Verstanden.«
LaNague brach das Gespräch ab, und als er sich umdrehte, sah er, daß Mora in der Tür stand und ihn anstarrte.
»Peter, was ist los? Ich habe dich noch nie so durcheinander gesehen.«
»Die Erkundungsschiffe haben Kontakt mit einer feindlichen fremden Rasse draußen im Perseus-Arm aufgenommen.«
»Und?«
»Wenn Metep, Haworth und die anderen davon erfahren, besitzen sie das einzige Druckmittel, das ihnen helfen kann, an der Macht zu bleiben und möglicherweise sogar ihre Haut zu retten: Krieg!«
»Peter, du machst wohl Spaß?«
»Natürlich nicht! Du brauchst dir nur die Geschichte anzusehen – es ist eine altbewährte Methode für wirtschaftlich bedrohte Staatsformen, sich zu retten. Und sie funktioniert! Feindlich gesinnte Fremde würden die Menschheit aus Furcht zusammenbringen.«
»Aber feindlich gesinnte Fremde bedeuten doch noch nicht gleich Krieg.«
LaNague lächelte düster. »Das könnte man schnell ändern. Das wäre wiederum nicht das erste Mal. Metep und der Fünferrat müßten nur eine ›Handelsflotte‹ mit einem halben Dutzend Frachtschiffe in den Perseus-Arm schicken, um ostentativ friedliche Beziehungen anzuknüpfen. Wenn die Fremden so aggressiv sind, wie der Pilot des Erkundungsschiffes offensichtlich glaubt, werden sie entweder versuchen, alles in Besitz zu nehmen, was in ihr Territorium eindringt, oder sie werden sich angesichts der näherkommenden Handelsflotte direkt bedroht fühlen. Ganz gleich, was geschieht, auf jeden Fall wird es zum Blutvergießen kommen. Und das genügt schon. ›Die Monster kommen! Sie haben unbewaffneten Handelsschiffen im interstellaren Raum aufgelauert. Schützen und verteidigen Sie Ihre Frau und Ihre Kinder!‹ Plötzlich werden wir unsere unbedeutenden Unterschiede vergessen und näher zusammenrücken, um die Menschheit zu verteidigen. Das Imperium mag ja in einer tiefen Krise stecken und schwanken, aber es ist die einzige Regierung, die wir im Augenblick haben, also warum nach einer anderen rufen … Und so weiter und so weiter.« Nur mit sichtbarer Mühe gelang es ihm, seinen Wortschwall zu unterbrechen.
Mora sah ihren Mann unverwandt an. »Ich habe dich noch nie so verbittert gesehen, Peter. Was ist nur in diesen drei Jahren mit dir geschehen?«
»Eine ganze Menge, glaube ich.« Er seufzte. »Manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt noch der alte bin. Ich glaube, es ist einfach Opposition gegen die Männer, die das Imperium verkörpern – und letztendlich hat das Imperium kein Eigenleben; es sind die Leute. Diese Opposition läßt einen erkennen, daß es kaum etwas gibt, das diese Leute nicht tun würden oder können. Sie sind zu allem fähig – und dazu gehört auch der interstellare Krieg –, wenn es darum geht, ihre Karriere und ihren Platz in der Geschichte zu retten. Die Verluste von Menschenleben, das Trauma für die künftigen Generationen, das Chaos, das folgen würde … das alles wäre ihnen völlig gleichgültig. Bis dahin würden sie nicht mehr da sein, und die nächste Generation hätte es auszubaden.«
Er schien kurz zu überlegen und teilte Mora dann seinen Entschluß mit.
»Ich werde Boedekker das vereinbarte Zeichen schicken. Es ist etwas früher, als ich geplant hatte, aber mir bleibt kaum eine andere Wahl. Ich möchte, daß das Imperium zusammengebrochen ist, wenn der Pilot zurückkommt. Und selbst dann muß ich darauf achten, daß niemand, der mit dem Imperium zu tun hat, von den Fremden im Perseus-Arm erfährt.«
»Wir haben schon bald Neujahr«, erinnerte ihn Mora weich.
»Ja, für uns Tolivianer. In fünf Tagen beginnt das Jahr des Drachen. Ich nehme an, es wird auch für die Throner ein Jahr des Drachen … sie werden schon
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