LaNague 03 - Der Staatsfeind
fühlt er sich besser, aber er blutet noch immer. Wenn die Wirkung des Zemmelars nachläßt, ist er schwächer als vorher. Also gibt man ihm wieder eine Zemmelar-Spritze, und wieder fühlt er sich besser, aber diesmal für eine kürzere Zeitspanne. Er wird immer schwächer, und es dauert nicht lange, bis er verloren ist. Selbst wenn die innere Blutung plötzlich zum Stillstand kommt, hilft ihm das nicht mehr, weil er zu schwach ist … und außerdem ist er inzwischen sowieso hoffnungslos zemmelarsüchtig.
Der Wirtschaftsbericht
VI
Nicht Recht noch Pflicht trieb mich zum Kampf,
und nicht der Staat noch die jubelnde Menge.
Allein der Reiz des Vergnügens
war Grund für diesen Aufruhr.
Yeats
Vincent Stafford hing frei im Raum an der Lucky Teela, und nur ein dünnes Seil trennte ihn von der Ewigkeit. Als Zweiter Hilfsnavigator kam ihm die faszinierende, aber wenig beneidenswerte Aufgabe zu, die gesamte äußere Navigationsausrüstung der Kontrollkapsel zu checken. Diese Aufgabe erforderte eine gewisse Vertrautheit mit den Systemen, die die reguläre Wartungsmannschaft nicht besaß. Dazu war ein Navigator nötig. Und da Stafford der rangjüngste war – dies war übrigens sein erster Auftrag als Navigator –, war die Wahl auf ihn gefallen.
Obwohl er mit der Überprüfung fertig war, machte er noch keine Anstalten, zur Schleuse zurückzukehren, wo er seine Führungsleine lösen und sich wieder mit seinem Normalgewicht bewegen konnte. Statt dessen schwebte er jetzt frei und regungslos im Raum, die Augen auf den Ring aus Frachtbehältern gerichtet, der die Kontrollkapseln umgab … eine leicht gebogene Kette aus wahllosen, seltsam geformten Steinen, die über einen unsichtbaren Faden verbunden waren und einen schwachen Flammenschein reflektierten.
Der Getreidetransport von den Außenwelten zur Erde war startbereit. Diese Zone am kritischen Punkt im Gravitationsbereich von Throne wurde als Depot für die Exportgüter von zahlreichen Agrarplaneten der Außenwelten zur Erde benutzt. Die Frachtbehälter wurden einfach von den ankommenden Schiffen gelöst und durch sich überschneidende Kraftfelder miteinander verbunden. Wenn die Kette schließlich so lang war, daß sich der Transportflug lohnte, wurde die Kontrollkapsel mitsamt der Mannschaft an die Kette angelegt und alles für den Start vorbereitet.
Diesmal würde der Flug allerdings etwas anders als gewohnt verlaufen. Es waren nämlich zwei Passagiere an Bord gekommen, deren Ziel ebenfalls die Erde war. Höchst ungewöhnlich. Nur wenige Bewohner der Außenwelten, wenn überhaupt, hatten außer den Beamten des Diplomatischen Dienstes Kontakte zur Erde. Die Diplomaten benutzten offizielle Raumkreuzer, die übrigen nahmen die Flugmöglichkeiten wahr, die sich ihnen gerade boten. Die beiden Passagiere mußten ziemlich wohlhabend sein, denn ein Flug zur Erde, selbst wenn man auf einem Getreidetransporter mitfuhr, kostete eine Menge Geld. Obwohl, eigentlich sahen sie ganz und gar nicht danach aus, als hätten sie viel Geld … der eine, der mit dem dunklen Bart und dem finsteren Blick, war ganz in Dunkel gekleidet, während der andere blond war, einen durchdringenden Blick hatte und ständig einen Kübel mit einem kleinen Baum mit sich herumtrug. Ein seltsames Paar, die beiden, dachte Stafford -
Er merkte, daß er Zeit vertrödelte. Dies hier war seine Jungfernfahrt in seiner Eigenschaft als Navigator, und er würde versuchen, sein Bestes zu geben. Erst nach langem Suchen hatte die Navigatorengilde diesen Posten für ihn finden können. Nach dem erforderlichen, sechs Standardjahre dauernden Studium wußte er alles, was man über den interstellaren Flug wissen mußte – angefangen von der Lehre über Zwischenraumphysik über die komplizierte Funktionsweise des Proton-Proton Antriebs bis hin zu den automatischen Sicherheitssystemen des Thermostats in der Kommandokapsel. Und er war bereit für den interstellaren Raum. Nur war der Raum leider nicht bereit für ihn. Die Transportflüge waren nicht mehr so häufig wie früher, und lange Zeit hatte er oben auf der Liste der Bewerber warten müssen, bis er endlich diesen Posten bekommen hatte. Vince Stafford verlangte nicht viel vom Leben. Alles, was er wollte, war eine Chance, seinen Job zwischen den Sternen auszuüben und genug zu verdienen, um sich und seine Frau ernähren zu können. Vielleicht auch genug, um soviel zu sparen, daß sie sich schließlich ein eigenes Heim und eine Familie leisten konnten. Es
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