LaNague 03 - Der Staatsfeind
abends einschlafe, daß wir wieder einen Schritt weitergekommen sind auf unser Ziel hin, das Imperium zu stürzen. Aber es geschieht nichts. Ich meine, offensichtlich tue ich ja eine ganze Menge, und alles ist gegen die Regierung gerichtet, aber ich sehe keine Fortschritte. Ich sehe keine Risse im Fundament, keine Stelle, in die wir den Keil weiter hineintreiben können. Wir erringen zwar psychologische Siege, aber jeden Morgen, wenn ich aufwache, muß ich feststellen, daß wir uns noch immer am Anfang befinden.«
»Eine berechtigte Frage«, warf Sayers ein. »Wir sind keine kleinen Kinder mehr, und du kannst uns trauen. Ich glaube, wir haben ein Recht darauf, zu erfahren, wohin uns das Ganze führen soll.«
LaNague drehte sich um und sah sie an. Er wollte ihnen alles erklären, wollte all das abladen, was ihn so schwer belastete. Verzweifelt wünschte er sich, Mora wäre in diesem Augenblick an seiner Seite. In seinen Schläfen klopfte und pochte es wild, und sein Hinterkopf schmerzte, als hielte eine Faust aus Muskeln seinen Kopf in einem tödlichen Griff umklammert. Nervöse Kopfschmerzen waren ihm nicht fremd, aber diesmal war es schlimmer als sonst. Er hatte fast das Gefühl, als könnte er sie vertreiben, wenn er diesen beiden vor ihm erzählen würde, was er für ihre Welt wollte. Aber er konnte es nicht riskieren. Noch nicht. Noch nicht einmal Josef und Kanya wußten Bescheid.
»Ihr habt ja alle beide recht«, vermied er eine direkte Antwort. »Aber ihr müßt mir einfach vertrauen. Ich weiß, daß es sehr viel gefragt ist«, warf er schnell ein, als er spürte, daß sie zu einem Einwand ansetzten. »Aber es geht einfach nicht anders. Je weniger Leute darüber informiert sind, wohin es führt, desto geringer ist das Risiko, daß es jemand verraten kann, sollte einer von uns einmal gefangen werden. Und machen wir uns doch nichts vor – eine einzige intravenöse Injektion genügt, um jeden von uns zum Reden zu bringen, ganz gleich, für wie stark und widerstandsfähig er sich hält. Jeder wird dann ohne zu zögern alle Fragen beantworten, die man ihm stellt.«
»Aber ich sehe keinen Beweis dafür, daß wir überhaupt Fortschritte machen!« erwiderte Zack. »Nicht den kleinsten Hinweis darauf, daß wir weiterkommen!«
»Die wirkliche Arbeit am Sturz des Imperiums geht hinter der Bühne vor sich, deshalb seht ihr nach außen hin nichts. Und ich will es so. Ich will nicht, daß jemand vorzeitig gewarnt wird. Alles soll zugleich geschehen. Und wenn es geschieht, erfahrt ihr es, glaubt mir. Ihr müßt mir nur vertrauen.«
Wieder herrschte Schweigen, bis sich schließlich Zack zu Wort meldete. »Wenn du nicht ein Tolivianer wärst und ich nicht wüßte, was ich über den Ehrenkodex der Kyfho-Philosophie weiß, würde ich sagen, du verlangst ein bißchen zu viel. Aber offen gesagt, du bist im Augenblick alles, was wir haben. Wir müssen dir einfach trauen.«
»Nun, ich weiß zwar nicht so viel über die Kyfho-Philosophie wie du«, fügte Sayers hinzu, »aber ich stimme völlig mit dir überein.« Er sah an LaNague vorbei auf Pierrot. »Du schleppst immer diesen Baum mit dir herum. Hat er auch etwas mit Kyfho zu tun?«
LaNague schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist nur ein alter Freund.«
»Es sieht ganz so aus, als braucht er Wasser.« Sayers verstand nicht, was LaNague an seiner Bemerkung so witzig fand, daß er plötzlich anfing, zu lachen, und so fuhr er unbeirrt fort. »Übrigens, was bedeutet Kyfho eigentlich? Das Wort hat im Interstellaren doch keine Bedeutung.«
»Es ist auch eigentlich kein Wort«, erklärte LaNague, der sich im stillen wunderte, wie sehr ihn das Lachen erleichtert hatte. »Es handelt sich um ein Akronym aus einer der Anglosprachen auf der Erde. Die Kyfho-Philosophie wurde von einer Gruppe von Leuten in der Westlichen Allianz begründet, und zwar in den Tagen vor der Einheit der Erde. Sie konnte nur in der Westlichen Allianz entstanden sein, aber als sie sich dann langsam und begrenzt verbreitete, wurde sie auch von Leuten in der Östlichen Allianz aufgegriffen und modifiziert. Das heutige Kyfho ist eine Mischung aus beiden Varianten. Das Akronym entstand aus dem Titel des ersten Buchs – im Grunde eher ein Pamphlet –, in dem die Philosophie ausgelegt und erläutert wurde, ein Satz, der bedeutete: ›Finger weg‹. Versteht einer von euch vielleicht Englisch?«
Sayers schüttelte den Kopf. »Nicht ein Wort.«
»Als Student konnte ich ein bißchen Englisch«, meinte Doc, »aber
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