LaNague 04 - Detektiv im Cyberland
abgehauen sind.«
»Ich bin nicht mehr so naiv, wie ich es vor zwei Standardjahren war, wenn Sie das meinen.«
Ich lachte. »Das ist wohl niemand mehr!«
Sie lachte ebenfalls, und dieser Klang gefiel mir.
»Aber ist es das?« fragte ich und sah mich in dem Tunneldorf der Lost Boys um. »Reicht Ihnen das für den Rest Ihres Lebens?«
»Es ist nicht so schlecht.« Sie schob einen Arm unter meinen Ellbogen, und ich spürte ein seltsames Kitzeln zwischen den Schulterblättern. »Kommen Sie, ich führe Sie herum.« Die Kinder wichen zurück und folgten uns wie eine Herde, während sie mit mir zum Garten ging. Ich betrachtete sie aus den Augenwinkeln. Sie meinte, ich hätte mich verändert? Sie hatte sich verändert! Das war nicht mehr dieser dumme Kindfrau-Klon von vor zwei Jahren, der da neben mir ging. Dies war eine Erwachsene – sicher, gefestigt, voller Selbstvertrauen. Mehr als nur ihre Frisur hatte sich verändert. Mir kam es so vor, als hätten die wichtigen, entscheidenden Veränderungen unter ihrem Haar stattgefunden.
»Die Leuchtröhren waren schon hier, ehe ich herkam, aber die Kinder haben das künstliche Sonnenlicht nicht zu nutzen gewußt. Ich ließ sie aus den oberen Tunnels Erde hierher nach unten bringen, und sie stahlen Samen aus einigen Fenstergärten, und schon hatten wir frisches Gemüse.«
»Phantastisch«, sagte ich und meinte es auch so.
Sie führte mich durch den alten Bahnhof und zeigte mir die verschiedenen Hütten. Ich gab mir alle Mühe, interessiert zu erscheinen, bekam aber eine ganz bestimmte Frage nicht aus dem Kopf. Schließlich, als sie stehenblieb und mir ihre eigene Hütte zeigte, stellte ich diese Frage.
»Wie kommt es, daß Sie Ihr Leben hier unten vergeuden?«
Sie wirbelte wie eine Raubkatze zu mir herum und funkelte mich wütend an. »Vergeuden? Ich würde das kaum als Vergeuden meines Lebens bezeichnen!«
»Quatsch. Wie nennen Sie es dann?«
»Ich tue etwas Gutes! Und ich brauche nicht Ihre verdammte Realmenschen-Zustimmung, damit es mir etwas bedeutet!«
Sie brachte mich allmählich doch in Rage. »Die Streuner werden immer noch aufwachsen und weiterziehen nach oben und keine legale Existenz führen und versuchen, ihr kümmerliches Leben im Schatten der realen Welt zu fristen.«
Sie wandte den Blick ab. »Ich weiß. Aber vielleicht sind sie bessere Menschen dank dessen, was ich hier unten für sie tue. Und vielleicht … nur vielleicht …«
»Vielleicht was?«
»Vielleicht brauchen nicht alle von ihnen in der Schattenwelt zu leben. Vielleicht schaffen es einige von ihnen, sich einen anderen Platz zum Leben zu suchen.«
»Zum Beispiel wo?«
»Auf den Außenwelten.«
Ich war zu verblüfft, um etwas zu sagen, während sie sich zu mir umdrehte und mich ansah und diese unendliche Hoffnung aus ihren Augen leuchtete. Jean Harlow der Klon hatte unerhörte Ideen. Sie folgte einem Traum.
Und das kann gefährlich sein.
»Hat man sie die Reise zwischen der Erde und den Außenwelten etwa in einer ungeschützten Kabine machen lassen?« fragte ich, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte. »Die Zeit dort draußen muß irgendwie Ihren Geist verwirrt haben.«
»Ich bin nicht verrückt!« erklärte sie mit einem seligen Lächeln. »Farmplaneten wie Neeka schreien geradezu nach Siedlern – je jünger desto besser! Sie brauchen Arbeiter!«
»Aber das hier sind doch noch kleine Kinder! Sie können doch nicht …«
»Kleine Hände werden schnell zu großen Händen, die zupacken können!«
»Und wie wollen Sie die vom Planeten wegbekommen?«
Sie runzelte die Stirn. »Das ist das Problem.«
»Das ist nicht das einzige Problem«, sagte ich. »Wer weiß, wie man sie dort draußen behandeln wird! Irgendein mieser Bursche könnte sie doch zu Sklaven machen oder noch schlimmeres mit ihnen tun.«
»Ich weiß, ich weiß«, wehrte sie mit trauriger Stimme ab. »Aber sehen Sie sich das an.« Sie wies auf den Bahnsteig um uns herum. »Irgend etwas muß getan werden. Das sind ja noch Kinder. Das muß aufhören!«
Ich stand da und starrte sie an und verstand sie überhaupt nicht. Wie üblich.
Ich glaube, es gibt zwei Möglichkeiten, Erscheinungen wie die Streunerbanden zu betrachten. Ich, für meinen Teil, habe sie immer als gegeben und selbstverständlich hingenommen. Das Streuner-Problem wurde lange, bevor ich geboren wurde, unter den Teppich gekehrt, und ich hatte mich damit abgefunden, daß es sie auch noch geben würde, lange nachdem ich gestorben wäre. Streuner: Jeder
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