Land der guten Hoffnung
als ich ihn erreichte. Er sah mich an, als hätte ich mir den ungünstigsten Zeitpunkt von allen ausgesucht und wolle mich womöglich an seiner Niederlage weiden.
„Was ist?“
„Finden Sie es nicht auch seltsam, dass Bertrand sich so viele Jahre nach dem Machtwechsel noch eine derartige Waffenkammer im Keller leistet?“
Wishbone blieb mir die Antwort schuldig.
„Wofür braucht ein aufstrebender Geschäftsmann, der sich dem kapitalistischen Zeitgeist verschrieben hat, noch ein solches Arsenal? Bertrand will schon seit geraumer Zeit als ernsthaft seriös gelten. Er mag mit Wirtschaftskriminalität kokettieren, aber doch nicht mit einem politischen Umsturz. Der Mann ist lernfähig und hat sich mit den jetzigen Verhältnissen in Südafrika arrangiert.“
Noch schwieg er.
Ich deutete Richtung Haus. „Ein so eindeutiges Indiz für ein potenzielles Widerstandsnest ist völlig überflüssig. Es kann ihm nur unnötige Probleme machen, wenn die falschen Leute hier rumschnüffeln und aus Versehen draufkommen - oder?“
„Wenn es die Falschen sind, würde er tatsächlich eine Menge Ärger bekommen“, gab er zu.
„Vermutlich will Bertrand genau das. Was ist, wenn er mit dem Geheimbunker gezielt von etwas ablenken wollte, das noch mehr Brisanz hat - falls es mal brenzlig wird und sich jemand ohne Einladung in den Keller verirrt.?“
Wishbone sparte sich eine Antwort und sah Lynda an.
Sie hatten auch einen Presslufthammer.
Bevor er losbellte und den Betonboden aufstemmte, packten alle mit an und räumten den Kommandostand leer. Munitionskisten, Gewehre, Flinten, Pistolen und Revolver, sowie Tisch, Stühle und Regale wurden in der Scheune deponiert, und nur die Stahlhalterungen und Landkarten an den beiden Längswänden des Kellerraums blieben zurück. Das mechanische Hämmern erschütterte das Gebäude in den Grundfesten und lockte sogar Rena aus ihrer Klause. In ihrer inneren Unruhe hielt sie sich instinktiv an Lynda.
Nachdem der Beton beseitigt war, kehrte eine tödliche Stille ein, in der die Spezialisten erneut mit Bedacht ihrer Arbeit nachgingen. Es dauerte nicht lange, bis sie auf die ersten, teilweise in Plastiksäcke gehüllten, Knochen und Schädel stießen. Voller Erwartung sah Wishbone dem leitenden Anthropologen entgegen und erhob sich von dem leeren Getränkekasten, auf dem er ausgeharrt hatte.
„Und?“
„Zweifelsfrei menschliche Überreste. Bislang sechs Personen. Vermutlich sind es noch viel mehr. Es ist zu früh, um mich präziser festlegen zu können. Jedenfalls nichts Prähistorisches, denn die Knochen werden teilweise noch von vertrockneten Bändern zusammengehalten, und vier Schädel weisen Einschusslöcher auf.“ Der Anthropologe lächelte Wishbone ermunternd zu. „Es sieht ganz nach einem Volltreffer aus, Stan.“
Wishbone schlug dem Mann auf die Schulter und überließ ihn wieder seiner Arbeit. Dann umarmte er Lynda. Das Team hatte den entscheidenden Punkt gemacht. Schließlich kam er näher zu mir und sah mir eine Weile ruhig in die Augen. Er sagte kein Wort, und doch kam ich mir wie der Entdecker eines unbekannten Kontinents vor, der von seinem Herrscher stumme Anerkennung für die Großtat erfährt. Manche Monarchen trugen Kronen, als Zeichen ihrer Würde, andere Tätowierungen.
Zwei Teammitglieder machten Video- und Fotokamera und die dazugehörige Beleuchtung klar und verschwanden im Bunkerraum, um die Ausgrabung Schritt für Schritt zu dokumentieren. Langsam wurde es eng im Keller.
„Kommen Sie, Helm. Wir stehen hier unten nur den Profis im Weg rum.“
Ich folgte Wishbone und Lynda nach oben und in den Hof. Lynda ging zu ihrem Wagen und forderte per Funk Ablösung für die Polizeikräfte an, um die Bewachung der Farm auch weiterhin sicherzustellen. Hinter der fernen Bergkette ging die Sonne so blutrot unter, wie sie an diesem denkwürdigen Tag aufgegangen war. Im Küchenwagen wurde das Abendessen vorbereitet. Ich schnupperte, doch die Wohlgerüche gaben mir keinen Aufschluss über die Zusammensetzung des Menüs. Trotz der traurigen Funde schienen alle Teammitglieder ihrer jeweiligen Arbeit mit gesteigertem Wohlbefinden nachzugehen. Die Stimmung war gut. Der Einsatz hatte sich gelohnt. Von jetzt ab stand Marius Bertrand mit dem Rücken zur Wand.
„Nun, da wir die Knochen haben, werden doch noch ein paar Leute den Mund aufmachen.“ Wishbone sah zu, wie die Sonne hinter den Bergen verglühte. „Die Knochen ihrer Angehörigen sind meinen afrikanischen Landsleuten nicht
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