Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
hier« – er klopfte Erwyn auf die Schulter – »sind unsere einzige Hoffnung.«
»Wir sollten uns einen Lagerplatz für die Nacht suchen«, wechselte Alphart das Thema. »Es wird bald dunkel, und in dieser Schlucht ist es nicht sicher.«
»Solltest du etwa erschöpft sein, Wildfänger?«, fragte der Druide.
»Um mich geht es nicht, alter Mann. Ich könnte noch viele Stunden weitermarschieren. Aber es gibt andere, die dringend einer Rast bedürfen.« Alphart nannte keinen Namen, aber jedem war klar, dass er den jungen Erwyn meinte.
»Ich verstehe«, sagte der Druide. »Nur gut, dass du dich nur um deine Rache und um dich selbst kümmerst und um niemanden sonst. Nicht wahr, Jägersmann?«
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, brummte Alphart.
»Oh, ich glaube doch, dass du verstehst«, sagte Yvolar lächelnd und ging ein Stückweit die Schlucht entlang, bis sie sich verbreiterte und die Felswände zu Hängen wurden, in die sogar ein paar Bäume ihre Wurzeln krallten. »Dort oben gibt es eine Höhle«, stellte er fest. »Sie bietet uns ein sicheres Nachtquartier.«
Alphart trat zu ihm und blickte in die Richtung, die der Druide ihm bedeutete. Tatsächlich klaffte ein Stück unterhalb eines großen Felsvorsprungs eine dunkle Öffnung, die Schutz vor Wind und Wetter versprach und zudem im Ernstfall auch leicht zu verteidigen war.
»Einverstanden«, sagte der Wildfänger. »Du hast Augen wie ein Falke, alter Mann.«
»Wie ein Druide«, verbessert Yvolar lächelnd.
Sie sagten ihren Kameraden Bescheid und kletterten den Hang hinauf, zwischen den Bäumen und zerklüfteten Felsen hindurch. Mit jedem Augenblick, den sich der Tag mehr dem Ende neigte, hatte es die Sonne schwerer, den dicken Wolkenschild und die Schleier aus wirbelndem Schnee zu durchdringen. Entsprechend nahm die Kälte zu, und es wurde dunkler. Der junge Erwyn hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, und es bedurfte der gemeinsamen Anstrengung von Urys und Alphart, ihn den Hang hinaufzubugsieren.
Endlich erreichten sie die Höhle und flüchteten sich in das schützende Halbdunkel. Trockenes Holz, um ein Feuer zu entfachen, gab es nicht – Alphart hoffte insgeheim, dass Yvolar wieder seinen Wärmezauber wirken würde. Zwar vertraute der Jäger der Magie des Druiden noch immer nicht, aber es war alle Mal besser, sich mit faulem Zauber zu wärmen, als jämmerlich zu erfrieren…
Während Urys vorn am Höhlenausgang blieb, um die erste Wachschicht zu übernehmen, zogen sich die übrigen Gefährten tiefer in die Höhle zurück. Nachdem sie sich ein wenig gestärkt hatten, begab sich Yvolar noch einmal nach draußen, um, wie er sagte, den Weg zu erkunden. Zwar fragte sich Alphart, wie er das bei der Dunkelheit, die inzwischen draußen herrschte, zuwege bringen wollte, aber er erhob keinen Einwand. Zum einen musste der Druide selbst wissen, was er tat, zum anderen verspürte Alphart kein Verlangen danach, mit einem weiteren Rätsel als Antwort abgespeist zu werden.
So begnügte er sich damit, auf dem Boden kauernd im wenigen Licht, das durch den Höhleneingang fiel, düster vor sich hinzustarren. Obwohl er müde war vom langen Marsch, hätte er noch keinen Schlaf gefunden – zu viel ging ihm durch den Kopf, das ihm keine Ruhe ließ. Leffel schien damit weniger Probleme zu haben. Kaum hatte der Allagáiner sein Nachtmahl beendet, sank er ächzend zu Boden, wickelte sich in seine Zwergendecke und war kurz darauf eingeschlafen, wie das laute Scharchen verriet.
»Hört sich an, als wär dies ‘ne Bärenhöhle«, murrte Alphart grimmig.
Als er im Halbdunkel ein Rascheln gewahrte, zuckte seine Hand instinktiv zur Axt. Die Sorge war jedoch unbegründet. Es war der junge Erwyn, der sich zu ihm gesellte.
»Was willst du?«, fragte der Wildfänger mürrisch.
»Mich ein wenig zu dir setzen«, erwiderte der Junge, der nach der stärkenden Mahlzeit wieder einen etwas kräftigeren und gesünderen Eindruck machte. »Darf ich?«
»Von mir aus.« Allerdings machte Alphart keine Anstalten zu rücken, sodass sich Erwyn zwischen zwei unbequeme Felsbrocken zwängen musste.
»Meister Yvolar sagt, er wüsste, warum du immer so misslaunig bist.«
»Ach ja?«
Erwyn nickte. »Er meint, du würdest jemanden suchen, dem du die Schuld am Tod deines Bruders geben kannst.«
Alphart drehte den Kopf und sah den Jungen grimmig an. »Der alte Stocker redet Unsinn. Am Tod meines Bruders sind einzig und allein die Erle schuld. Und ich werde mich blutig an ihnen
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