Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
unsere erbitterten Feinde«, wandte Dugan vom Eberclan ein. »Erst vor einem halben Mond haben sie uns acht Pferde gestohlen.«
»Nachdem uns die Eber die Wintervorräte gestohlen haben«, kam die Antwort prompt.
»Ich weiß, dass es nicht einfach ist zu vergeben«, räumte Galfyn ein. »Was geschehen ist, ist geschehen. Auch ich bin im Schatten der Stammeskämpfe aufgewachsen und kenne nichts anderes, genau wie ihr. Aber wenn wir unseren Zwist nicht beenden, werden wir untergehen. Glaubt ihr denn wirklich, Iónador hätte es nur auf die Falken abgesehen? Sie wissen nicht einmal, was uns unterscheidet, denn für sie sind wir alle nur Barbaren. Die Falken haben ihnen so wenig getan wie ihr, dennoch sind sie gekommen, mit Feuer und Schwert, und haben ein ganzes Dorf ausgelöscht. Es wäre töricht zu denken, dass ihr Eroberungsdrang damit gestillt ist. Die Herren der Goldenen Stadt wollen mehr. Sie wollen den Wald. Sie wollten ihn schon immer, um seine Bäume zu fällen und damit Häuser zu bauen und Kriegsmaschinen, Brücken und Dämme, um die Flüsse zu überwinden und die Natur zu bezwingen. Wir alle sind in Gefahr, meine Brüder, ohne Ausnahme. Der Krieg, der vor so langer Zeit begann, ist noch nicht zu Ende.«
Galfyn blickte in die Runde der Häuptlinge und sah Betroffenheit. »Wir sind diejenigen, die unser Volk verteidigen müssen«, fuhr er fort. »Kein anderer wird uns diese Aufgabe, diese Pflicht abnehmen. Aus diesem Grund müssen Fynrads Söhne wieder zusammenstehen – und diesmal werden sie siegen. Verbündet euch mit mir, meine Brüder, und ich verspreche euch, dass die Falken euch zur Seite stehen werden bis in den Tod.«
Damit streckte Galfyn seinen rechten Arm aus, die Handfläche nach unten, und wartete. Die anderen Stammesführer zögerten. Manche wandten sich mit fragendem Blick zu ihren Kriegern um, andere blickten unschlüssig zu Boden.
Der grimmige Dugan war der Erste, der vortrat und seine Rechte auf die Galfyns legte. »Für deine Jugend hast du weise und klug gesprochen, Häuptling der Falken. Der Eberclan erkennt die Zeichen der Zeit und tritt dem Bündnis bei. Lasst uns gemeinsam gegen das Bergvolk kämpfen und den Sieg erringen.«
Als die anderen Häuptlinge sahen, dass die Eber auf die Seite Galfyns traten, kam Bewegung in die Runde. Die Biber wollten vor ihren Rivalen nicht zurückstehen, und auch die Hirsche, die Fuchskrieger und die Wolfskämpfer traten vor und bekundeten ihren Willen, gegen den gemeinsamen Feind in den Kampf zu ziehen. Baras und Kolman berieten sich eine Weile mit ihren Kriegern. Als sie in die Mitte des Hains zurückkehrten, schlossen sich auch der Bärenstamm und der Krähenclan dem Bündnis des Waldvolks an.
»Und was ist mit dir, Geltar?«, wandte sich Galfyn an den Anführer der Schlangen, der als Einziger noch unentschlossen war. »Werden die Schlangenkrieger an unserer Seite stehen? Oder ist ihr Herz so verbittert und ihr Stolz so maßlos, dass sie auch in der Stunde der Not nicht vergeben können?«
Noch einen Augenblick stand Geltar unentschlossen. Dann trat auch er vor, streckte seine Rechte aus und erklärte feierlich: »Im Namen des Schlangenclans trete auch ich, Geltar, dem Bündnis bei. Auf dass es die Feinde des Waldvolks zerschmettere und die Frevler bestraft werden.«
»Und was gewesen ist, soll vergessen sein?«, fragte Galfyn.
Geltars nickte zögernd. »Es soll vergessen sein«, bestätigte er, »zum Wohl unserer Völker, die fortan wieder ein Volk sind.«
»Dann ist es beschlossen«, verkündete Galfyn laut. »Die Söhne Fynrads haben wieder zusammengefunden. Sie sprechen mit einer Stimme und kämpfen mit einer Klinge – und schwören den Feinden des Waldvolks Tod und Verderben!«
»Tod und Verderben«, erscholl es ringsum. Die Waldkrieger zückten die Schwerter, doch anstatt sie gegeneinander zu erheben, wie sie es lange Zeit getan hatten, stießen sie die Klingen empor und bestätigten so Galfyns Schwur.
Ein Sänger der Wölfe war es, der ein Lied aus den Tagen Fynrads anstimmte, das in den Jahren des Streits und der Zwietracht fast in Vergessenheit geraten war. In diesem schicksalhaften Augenblick jedoch erklang es erneut, und der rauschende Wind nahm es auf und trug es empor zu den hohen Kronen der Bäume, die den Heiligen Hain umgaben.
Entsprungen sind wir einst von einem einz’gen Stamm,
die Zeit ist nun gekommen, zu stehen all’ zusamm’.
Die Zeit, sie ist gekommen, zu schließen einen Bund,
zu kämpfen und zu
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