Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
siegen ist es nun die Stund’.
Des Krieges heißen Flammen, des Hasses roter Glut
wollen wir begegnen mit unserm kühlen Blut.
Zu schützen das, was unser, für jetzt und alle Zeit,
ziehen wir gemeinsam in den letzten Streit…
19
Sie verließen Damasia auf demselben Weg, auf dem sie gekommen waren: durch den alten Geheimgang, der durch den Fels des Urbergs führte. Sie erreichten den Dunkelwald, und als würde die Wanderer nun, da ein Druide bei ihnen weilte, ein unsichtbarer Schutz umhüllen, ließen sich die Wölfe nicht mehr blicken.
Alphart blieb dennoch wachsam, während sie sich im Gänsemarsch durch das dämmrige Dickicht schlugen. Unheimliche Geräusche waren allenthalben zu hören, und leuchtende Augenpaare starrten aus dem Unterholz, um rasch zu verschwinden, wenn sich die Wanderer näherten.
Yvolar ging der kleinen Gruppe voraus. Auf einen mit reichen Schnitzereien verzierten Eschenstab gestützt, schritt der alte Mann kräftig aus. In seinem weißen Gewand und mit dem purpurfarbenen Umhang, dem Erkennungszeichen seiner Zunft, bot er einen eindrucksvollen Anblick, der selbst die Bestien des Waldes abzuschrecken schien. Er trug einen Leinensack über der Schulter, in dem sich, so nahm Alphart an, Misteln und andere Kräuter befanden, denen magische Wirkung nachgesagt wurde.
Dem Druiden folgten Rionna und Leffel. Alphart bildete die Nachhut. Misstrauisch schaute er sich immer wieder um. Doch er behielt nicht nur das sie umgebende Dickicht im Auge, sondern auch Yvolar.
Wahrsager, Hexenmeister, Giftmischer – mit all diesen Bezeichnungen bedachte er insgeheim den Druiden. Der einzige Grund, weshalb er sich mit ihm einließ, war der, dass er sich von ihm Hilfe erhoffte im Kampf gegen die Erle.
Darüber hinaus hatte Alphart nicht vor, sich näher mit dem Alten zu befassen oder gar Freundschaft mit ihm zu schließen. Yvolar verkörperte all das, was einem Wildfänger verdächtig war, und Alphart empfand kein Bedauern darüber, dass es nicht mehr viele von seiner Sorte gab. Einst mochten die Druiden zahlreich und mächtig gewesen sein, aber ihr Zeitalter war zu Ende, und das war gut so…
Obwohl es heller Tag war, drang kaum Licht bis zum Boden des Waldes. Riesige Tannen ragten so hoch und standen dabei so dicht, dass man ihre Wipfel nicht zu sehen bekam, dazwischen wucherten Beerensträucher und Farne. Und wo die Tannen ihnen genügend Platz ließen, standen moosbewachsene Eichen und Ulmen, denen geheimnisvolle Kräfte nachgesagt wurden. Mächtige Wurzeln durchzogen den Boden, zwischen denen hier und dort noch Reste der alten Königsstraße zu erkennen waren.
Alphart fiel auf, dass es völlig still geworden war im Wald. Der von Tannennadeln, Laub und Moos bedeckte Boden dämpfte ihre Schritte, sodass ohnehin nur die Laute der Tiere zu hören gewesen wären. Doch die waren verstummt, sodass unheimliches Schweigen herrschte.
Auch Yvolar schien es zu bemerken. Er blieb stehen und lauschte in das modrige Dunkel.
»Was ist los?«, fragte der Gilg unbedarft. »Warum…?«
Ein strenger Blick des Druiden brachte ihn zum Schweigen.
Alphart hob den Bogen, legte in einer fließenden Bewegung einen Pfeil auf die Sehne und zielte ins Unterholz, als erwartete er, dass jeden Augenblick ein Gegner daraus hervorbrechen würde.
Der Feind, der ihm nach dem Leben trachtete, stand in Wahrheit jedoch hinter ihm, verborgen im Dunkel des Waldes. Bis zum Ohr hatte er die Sehne des Bogens zurückgezogen und zielte auf den ungeschützten Rücken des Jägers.
Schon wollte der gedungene Mörder den Pfeil losschnellen lassen – als etwas Unerwartetes geschah.
Urplötzlich wich die Dunkelheit des Waldes hellem Licht, und aus dem oberen Ende von Yvolars Druidenstab stach ein greller, gezackter Lichtblitz. In hohem Bogen zuckte er über die Gefährten hinweg und schlug ins Unterholz ein. Ein gellender Schrei erklang, und Alphart fühlte, wie nur wenige Handbreit neben ihm etwas durch die Luft schwirrte und in den Stamm einer mächtigen Tanne schlug – ein Pfeil!
Der Jäger fuhr herum, aber es war schon vorbei. Der Blitz war so plötzlich erloschen, wie er aufgeflammt war. Rauch schwelte zwischen den Bäumen, und aus dem Unterholz kippte der leblose Körper des feigen Meuchelmörders. Der Mann war groß und bärtig und von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Sein lederner Waffenrock war zerfetzt, in seiner Brust klaffte eine tiefe Wunde, die von dem Blitz herrührte.
»Morkar!«, rief Rionna
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