Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
greifen zu lassen. Einmal war er so töricht gewesen, die Warnung des Koblings in den Wind zu schlagen, und es war ihnen allen schlecht bekommen. Ein zweites Mal würde ihm das nicht passieren.
»Druide?«, fragte er, sich misstrauisch im Nebel umblickend.
»Ich bin mir nicht sicher«, flüsterte Yvolar. »Einen Augenblick lang glaubte ich, etwas wahrzunehmen.«
»Eine Täuschung?«
»Möglicherweise. Andererseits bewegen sich die Kreaturen der Finsternis mit großem Geschick, wenn sie sich an arglose Opfer heranpirschen, und inmitten des Bösen, das uns umgibt…«
»So arglos sind wir nicht, Druide«, versicherte Alphart und legte einen Pfeil auf die Sehne. »Ganz und gar nicht…«
Die übrigen Gefährten machten sich ebenfalls kampfbereit: Erwyn und Leffel zückten ihre Klingen, der Bärengänger griff nach seiner Keule.
Ein endlos scheinender Augenblick verstrich, in dem nur das Pfeifen des Windes zu hören war.
Dann geschah es.
Scheußliches Gebrüll war plötzlich zu vernehmen. Im nächsten Moment war es, als würde der Vorhang aus wirbelnden Schneeflocken und dichten Nebelschleiern beiseitegezogen – und beleuchtet vom fahlen, grauen Tageslicht, das auf dem Bergsattel herrschte, brach in Gestalt von schwarzem Fell und mörderischen Pranken das blanke Grauen über die Gefährten herein.
Wie ein Ungewitter fuhr das riesige Etwas, das selbst den Bärengänger an Körpergröße weit überragte, zwischen sie. Mit einer Verwünschung auf den Lippen sprang Alphart zurück, und der junge Erwyn entging nur um Haaresbreite der fellbesetzten Klauenhand, die nach ihm griff.
Es war ein Bergtroll, ohne Zweifel, aber anders als jenes Exemplar, mit dem der Wildfänger und seine Gefährten es an den Hängen des Aradh Loin zu tun gehabt hatten, war dieses nicht gezähmt; weder trug es ein Geschirr noch wurde es von Ketten gehalten. In seinem hässlichen, steinern anmutenden Gesicht prangten Reihen mörderischer Zähne, die schwarz wie Schiefer waren.
»Zurück! Zurück, garstige Kreatur!«, rief Yvolar mit lauter Stimme und baute sich furchtlos vor dem Troll auf, den Druidenstab beidhändig erhoben. Aber der Unhold wusste nicht um die vernichtende Kraft des Stabes. Blanker Zorn schlug dem Druiden aus den winzig kleinen Augen des Trolls entgegen, und im nächsten Augenblick schwang die fellbesetzte Kreatur die langen Arme, um den scheinbar wehrlosen alten Mann zu zerschmettern.
Im selben Augenblick ließ Alphart den Pfeil von der Sehne schnellen. Blitzartig durchschnitt das Geschoss die kalte Luft und bohrte sich in die Brust des Trolls, dort, wo der Jäger das Herz des Unholds vermutete. Doch der Treffer blieb ohne Wirkung und vermochte der riesigen Kreatur kaum mehr als ein wütendes Schnauben zu entlocken. Unbeeindruckt ließ sie ihre geballten Fäuste herabsausen, auf den Druiden zu – als dieser seinen Stab zum Einsatz brachte.
Als wäre das Holz von einem eigenen Willen beseelt, wirbelte es in Yvolars Händen herum und war plötzlich von einem unirdischen Leuchten erfüllt. Als die Pranken des Trolls damit in Berührung kamen, schnitt der leuchtende Stab scheinbar mühelos durch Fleisch und Knochen, und im nächsten Moment waren dort, wo sich eben noch mörderische Pranken befunden hatten, zwei blutige Stümpfe.
Der Schrei, den der Troll ausstieß, klang fast wie eine Frage – ein Laut der Verwunderung, der deutlich machte, dass die tumbe Kreatur nicht begreifen konnte, was geschehen war. Erst als sein Blick auf seine am Boden liegenden Klauen fiel, die noch immer zu Fäusten geballt waren, dämmerte dem Troll, was die Stunde geschlagen hatte, und er verfiel in wüstes Gebrüll, während er mit den Stümpfen um sich schlug, aus denen unaufhörlich schwarzes Blut pulste. Vergeblich versuchten Erwyn und Leffel, ihn mit ihren Klingen zu erreichen, und ein zweiter Pfeil, den Alphart auf den Weg brachte, richtete ebenso wenig aus wie der erste. Dafür setzte plötzlich ein weiterer, nicht weniger eindrucksvoller Schemen heran, der den Troll wie ein Raubtier ansprang und ihn mit der Wucht seiner Körpermasse zu Fall brachte.
Es war Walkar, der die Gestalt des Bären angenommen hatte, um sich und seine Gefährten zu verteidigen. Wie eine entfesselte Naturgewalt fiel er über den Unhold her, dessen rohe Körperkräfte trotz der Verstümmelung noch immer eine Bedrohung darstellten. Ein um das andere Mal rauschten die Bärentatzen heran und brachten dem Troll klaffende Wunden bei, während die Kiefer des Unholds
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