Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Außenseiter gewesen, von anderen verspottet. Man hat mich gemieden, mich aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen, hat mit dem Finger auf mich gezeigt und über mich gelacht. Aber das ist vorbei. Ich bin nicht mehr allein, habe Freunde gefunden, die mir vertrauen und denen ich vertraue – Gefährten, die mit mir durch dick und dünn gegangen sind. Und ich weiß jetzt, dass es mehr war als eine Laune des Schicksals, die mich hierher geführt hat. Es war meine Bestimmung.«
»Was faselst du da?« Alphart schüttelte den Kopf. »Nicht die Bestimmung hat dich nach Iónador geschickt, sondern die Leute aus deinem Dorf. Sie wollten dich loshaben, das ist alles.«
»Vielleicht. Aber auch ein kleiner Stein, der ins Wasser geworfen wird, zieht Kreise. Wie wir hierher gekommen sind, ist nicht mehr wichtig. Alles, was zählt, sind wir. Die fünf Gefährten, die noch geblieben sind.«
»Und? Was nützt es?«
»Statt um das zu trauern, was wir verloren haben, sollten wir uns auf das besinnen, was uns geblieben ist: unsere Freundschaft, die Sorge, die wir füreinander hegen. Sie ist es, die uns von Muortis’ Kreaturen unterscheidet, und deshalb werden wir nicht aufgeben, sondern weiter den Pfad beschreiten, den uns die Bestimmung gewiesen hat.«
Alphart bedachte den Gilg mit einem zweifelnden Blick. Wie die meisten Allagáiner war auch Leffel nicht gerade zum Redner geboren. Wie kam es, dass er sich auf einmal so gewählt und treffend auszudrücken vermochte? Und wieso ertappte sich der Wildfänger dabei, dass Leffels Worte ihn tief berührten? Sonst hatte er das Geschwätz des Gilg einfach schulterzuckend abgetan.
Leffel jedoch war noch längst nicht am Ende seiner Ansprache. Mit einem energischen Handgriff rückte er die Wollmütze zurecht, die er nie abzunehmen pflegte und die ihm bis weit über die Ohren reichte, dann fuhr er entschlossen fort: »In eurer Gesellschaft habe ich gefunden, wonach ich mich mein Leben lang gesehnt habe: eine unverbrüchliche Gemeinschaft, Freunde, die alles für mich tun würden, selbst wenn es ihren eigenen Tod bedeutet.«
»Täusch dich bloß nicht«, brummte Walkar, aber der Gilg überhörte es geflissentlich.
»Ihr alle seid noch bis vor Kurzem Einzelgänger gewesen, genau wie ich. Du, Walkar, hast die Wildnis durchstreift, einsam und allein; Alphart hat, wie wir alle wissen, erst kürzlich seinen Bruder verloren; unser Druide lebte noch vor wenigen Wochen in der Abgeschiedenheit der Feste Damasia. Wollt ihr mir erzählen, ihr möchtet zurück? Dass ihr die Einsamkeit eintauschen würdet gegen die Gesellschaft der Gefährten, mit denen zusammen ihr so viel durchgemacht habt?«
Die anderen tauschten müde Blicke, doch niemand widersprach.
»Zwischen uns ist etwas entstanden, das der Herr des Eises niemals begreifen wird: Freundschaft, Liebe, Aufopferungsbereitschaft – nennt es, wie ihr wollt. Aber indem Urys sein Leben für die Gemeinschaft opferte und für das Ziel, das wir alle verfolgen, hat er bewiesen, dass es etwas gibt, was stärker ist als die Verzweiflung, stärker selbst als Muortis’ finstere Macht. Und aus diesem Grund dürfen wir jetzt nicht aufgeben. Die Trolle haben Erwyn entführt, aber das bedeutet nicht, dass er tot ist – und solange der Erbe Danaóns lebt, besteht auch noch Hoffnung.«
»Du willst ihn befreien?«, erkundigte sich Alphart ungläubig.
»Was sonst?«
»Die Kälte muss dir dein letztes bisschen Hirn eingefroren haben, Gilg«, knurrte Walkar.
»In der Tat«, stimmte Alphart zu. »Erwyn ist verloren, sieh es ein.«
»Da seid ihr plötzlich einer Meinung«, beschwerte sich Leffel. »Dabei solltet ihr euch lieber darüber einig sein, einem Freund in Not beizustehen.«
»Man kann dem Jungen nicht mehr helfen«, widersprach Alphart. »Wäre es möglich, wäre ich der Erste, der es versuchen würde. Aber du hast ja gehört, was der Druide gesagt hat. Die Trolle haben ihn nach Urgulroth verschleppt, geradewegs in Muortis’ Reich. Niemand kann ihn von dort zurückholen.«
»Wenn man es nicht versucht, ganz sicher nicht«, gab Leffel zu.
»Würdest du es tun? Dich in die Höhle der Bestie wagen?«
»Das werde ich«, erwiderte der Gilg so offen und voller Überzeugung, dass kein Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Worte bestand.
Alpharts einzige Reaktion bestand aus einem verächtlichen Schnauben.
»Nur zu, verspotte mich«, sagte Leffel verärgert. »Ich bin es gewohnt, dass sich die Leute über mich lustig machen. Aber das ändert nichts
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