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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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vor den beiden Heerführern.
    »Was gibt es?«, wollte Galfyn wissen.
    »Seht nur – dort!« Der Späher deutete nach Südwesten. »Die Menschen!«
    Verblüfft schauten die Heerführer in die Richtung, die der Mann ihnen bedeutete, erblickten jedoch nichts als einen schmalen Hügel, dessen Kuppe der Wind kahl gefegt hatte. Schon wollte Barand fragen, was es dort zu sehen geben sollte, als sich plötzlich eine gebeugte Gestalt auf dem Hügel zeigte. Dann noch eine und eine weitere – und plötzlich wurden es so viele, dass Barand sie nicht mehr zählen konnte. Humpelnd und keuchend schleppten sie sich den Hügel hinauf, augenscheinlich mit letzter Kraft. Einen Moment hielten sie inne, als sie das vereinte Heer erblickten, und einige von ihnen ergriffen gar die Flucht. Die meisten jedoch schienen sich zu besinnen und kamen den Hügel herab. Müde und abgeschlagen kämpften sie sich durch den Schnee – elende, in Fetzen gehüllte Gestalten, viele davon halb erfroren. Grenzenlose Verzweiflung sprach aus ihren verhärmten, geröteten Mienen, und mit Entsetzen erkannte Barand, dass es Menschen aus Iónador waren. Flüchtlinge, denen es gelungen war, aus der Goldenen Stadt zu entkommen, und die wenig mehr als ihr nacktes Leben gerettet hatten.
    Die meisten von ihnen waren Frauen und Kinder, aber auch einige Alte und Krüppel befanden sich darunter. Wie sie es geschafft hatten, sich durch Schnee und Eis das Tal des Allair hinaufzukämpfen, darüber konnte Barand nur spekulieren, und er fragte sich, wie viele unterwegs zurückgeblieben sein mochten, die der Kälte und den Strapazen des Marsches erlegen waren.
    »Helft ihnen«, wies er seine Leibwächter an, und auch Galfyn erteilte seinen Falkenkriegern den Befehl, den Flüchtlingen entgegenzueilen und sich ihrer anzunehmen. Betroffen schauten die Kämpfer beider Heere zu, wie Frauen, Kinder und Alte in die Arme ihrer Retter sanken, die sie in ihre Umhänge hüllten und ihnen Brot zu essen und Wasser zu trinken gaben, hörten ihr Wehklagen und sahen die bitteren Tränen auf ihren Wangen. Obwohl sich unter den Flüchtlingen sowohl Adelige als auch Freie, sowohl Bürger als auch Bauern befinden mochten, war kein Unterschied festzustellen; auch bestand keine Trennung mehr zwischen vornehmen Iónadorern und gemeinen Allagáinern – die Schrecken, die so unvermittelt über die Goldene Stadt hereingebrochen waren, hatten sie einander gleichgemacht, und angesichts des Entsetzens, das in ihren Mienen zu lesen stand, mussten es grässliche, namenlose Schrecken gewesen sein.
    »Wo seid Ihr gewesen?«, rief plötzlich eine alte Frau herüber, die Barand noch nie zuvor gesehen hatte – sie schien jedoch genau zu wissen, wer er war. »Wo wart Ihr mit Eurem Heer, stolzer Marschall von Iónador, als die Unholde in die Stadt einfielen und alles verwüsteten?«
    Barand errötete. Was sollte er der Frau entgegnen? Dass er in Klaigons Auftrag seine Männer zur Schlachtbank hatte führen sollen? Dass er gegen den Befehl seines Landesfürsten gehandelt hatte? Dass er mit den Waldleuten gemeinsame Sache machte? Keine Antwort schien angemessen angesichts der Verzweiflung, die ihm entgegenschlug.
    »Feige versteckt habt Ihr Euch, als sie kamen!«, kreischte die Frau. »Ihr hättet sie sehen sollen: schweinsköpfige Kreaturen, die die Häuser der Stadt in Brand steckten und die Kinder aus ihren Wiegen raubten! Zu Tausenden sind sie über Iónador hergefallen. Wer nicht vor ihnen floh, der wurde getötet oder…«
    »Oder was?«, wollte Galfyn wissen, als die Alte plötzlich stockte.
    »Menschenfleisch!«, keifte sie, und ihre Augen leuchteten dabei in fiebrigem Glanz. »Die Bestien fressen Menschenfleisch! Wer nicht vor ihnen flüchtet, wird gefangen und – gefressen! Dieser Rauch in der Luft, dieser Gestank… Dieser elende Gestank…!«
    »Wie viele konnten entkommen, Weib?«, erkundigte sich Barand erschüttert.
    »Was interessiert es Euch? Habt Ihr die Stadt nicht verlassen, um sie den Unholden zu übergeben?«
    »Wie viele?«, beharrte Barand.
    »Diese hier«, erwiderte die Alte und deutete hinter sich. Noch war der Menschenstrom nicht abgerissen, und immer noch mehr elende Gestalten kamen über den Hügel. »Dazu jene, die in Iónador geblieben sind, um sich dort zu verstecken, in Häusern und Türmen, in Brunnen und Löchern. Diese Narren werden alle sterben.«
    »Nein, werden sie nicht«, erwiderte Barand. Als würden unsichtbare Bande von ihm abfallen, spürte der Marschall von

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