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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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guten Vorsätze, die zunichte gemacht wurden von der Kälte und der Verzweiflung, die wie hungrige Raubtiere wieder und wieder ihre Zähne in sein erschöpftes Fleisch und seine gepeinigte Seele gruben. Die Trolle knurrten nur und zerrten an den rostigen Ketten, um sich ihrer Festigkeit zu vergewissern. Dann zogen sie sich zurück, und Erwyn war allein mit der Bestie.
    Von oben starrte der Eisdrache auf ihn herab, und der Blick seiner Augen schien den Jungen zu durchbohren. Die Kreatur stieß ein grollendes, böswilliges Lachen aus – und Erwyn zweifelte nicht, dass dies sein Ende war.
    Das Haupt des Drachen, groß und mächtig wie ein Fuhrwerk, bog sich an seinem langen, gepanzerten Hals zurück, und sein von spitzen Zähnen gesäumter Schlund öffnete sich, als wollte er alles Verderben auf den wehrlosen Jungen speien.
    Panik überkam Erwyn.
    Er wollte nicht sterben. Nicht so – und nicht jetzt!
    Obwohl er es zuvor nur am Rande registriert hatte, erinnerte er sich daran, dass die eisernen Schellen um seine Handgelenke ein wenig zu groß für ihn waren. Vielleicht, mit etwas Glück, wenn er mit aller Kraft zerrte und die Zähne zusammenbiss…
    Geräuschvoll atmete der Drache ein, und während er eisige Luft in seine immensen Lungen saugte, riss Erwyn mit Gewalt an seinen Fesseln und versuchte, seine Hände durch die rostigen Schellen zu zwängen.
    Es gelang ihm nicht. Obwohl die Eisen locker um seine Handgelenke saßen, waren die Öffnungen nicht groß genug, als dass er seine Hände hindurchbekommen hätte.
    Erwyn versuchte es dennoch weiter. Mit aller Kraft riss er an den klirrenden Ketten. Tief schnitten die Spangen in seine Handrücken, sodass Blut hervortrat und zu Boden troff, wo es augenblicklich gefror. Der Junge achtete nicht darauf, ebenso wenig wie auf den Schmerz. Tränen der Verzweiflung in den Augen, versuchte er weiter, sich zu befreien, kämpfte um sein Leben, das in dieser grässlichen Unterwelt so wenig zu bedeuten schien – und hatte plötzlich die rechte Hand frei!
    Jähe Hoffnung schöpfend, wollte er auch die andere Hand aus ihrer Schelle ziehen. Vom puren Überlebenswillen getrieben, so wie ein Tier, das sich aus der Falle eines Jägers zu befreien versucht, zog er mit aller Kraft daran. Durch das Blut, das hervortrat, wurde seine Hand glitschig, und für einen kurzen Moment glaubte Erwyn, er könnte es tatsächlich schaffen.
    Dieser Moment war jedoch vorüber, als er über sich einen hässlich zischenden Laut vernahm.
    Der Junge schaute nach oben, sah über sich die gegabelte Zunge des Drachen und blickte in dessen weit geöffneten Schlund. Dann schnellte der Kopf des Untiers herab. Ein scheußliches Fauchen war zu vernehmen, und der kalte Pesthauch des Drachen schlug Erwyn entgegen, der in diesem Moment begriff, dass seine Bemühungen vergeblich gewesen waren.
    Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte er in den Rachen der Bestie, aus dem ihm vernichtendes Feuer entgegenschlug. Aber es war nicht glühend rot und heiß, sondern weiß und klar wie Glas – und von unfassbarer Kälte.
    Das Eisfeuer erfasste den Jungen und hüllte ihn ein, gab ihm das Gefühl, unter Frostmassen begraben zu werden, die kälter waren als alles, was er je gefühlt hatte.
    Kälter als Eis.
    Kälter als Muortis’ Gegenwart.
    Kälter selbst als der Tod.
    Nur einen Augenblick lang, der ihm allerdings wie eine Ewigkeit erschien, hielt das Bewusstsein des Jungen der Urgewalt stand. Dann erstarrten Erwyns Gedanken und mit ihnen auch seine Gefühle, seine Furcht und sein hilfloser Zorn.
    Dann… kam das Vergessen.

 
    31
     
     
     
    »Hier, meine Hand!«
    Die heisere Stimme Yvolars kämpfte gegen das Rauschen des Flusses an, und Alphart war erleichtert, sie zu hören. Unvermittelt hatte etwas der Scholle einen Stoß versetzt, und der Wildfänger, der darauf nicht gefasst gewesen war, hatte das Gleichgewicht verloren, war gestürzt und quer über das behelfsmäßige Floß geschlittert.
    Vergeblich versuchte Alphart, sich irgendwo festzuhalten. Schon waren seine Beine im Wasser, das noch kälter war als Eis; so kam es ihm jedenfalls vor. Von einem Augenblick zum anderen war er nicht mehr in der Lage, sich überhaupt zu bewegen, und konnte sich darum auch nicht aus eigener Kraft wieder auf die Eisscholle ziehen. Panisch krallte er sich ins Eis, so fest, dass seine Fingerspitzen bluteten – und er war dankbar, als der Druide ihm die Hand reichte und ihn wieder auf das behelfsmäßige Floß zog.
    »Was, verdammt noch

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