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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Gebrüll. Die Wut, die Leffels Worte bei ihm hervorgerufen hatten, sorgte dafür, dass er sich verwandelte.
    Das Fell, nur lose über Schulter und Rücken geworfen, breitete sich aus und umhüllte seinen Körper, während sich seine ganze Statur darunter veränderte. Sein Haupt vergrößerte sich, die Kinnpartie wölbte sich vor und bildete die Schnauze eines Bären, während mörderische Fangzähne aus seinem Mund wuchsen. Zuletzt verwandelten sich die Hände des Bärengängers und wurden zu mächtigen, krallenbewehrten Tatzen, auf die er vornüber in den Schnee fiel, eine Kreatur roher, ungezähmter Kraft. Den Rachen weit aufgerissen, brüllte er gegen den tosenden Wind an, so als wollte er dessen Urheber zu verstehen geben, dass er sich weder vor ihm fürchtete noch von ihm aufhalten ließ.
    Mit vor Staunen offenen Mündern hatten Leffel und Mux die Verwandlung verfolgt. Obwohl sie schon zuvor beobachtet hatten, wie aus dem Menschen Walkar der Bär geworden war, überwältigte sie der Anblick erneut. Als er sich ihnen zuwandte, zuckten sie unwillkürlich zusammen – bis sie den klaren, milden Blick Walkars in den Augen des Raubtiers erkannten.
    Der Bär beugte seine Vorderläufe, um die beiden auf seinen Rücken steigen zu lassen.
    Leffel zögerte nicht einen Augenblick. Sich an dem zottigen Fell des Bären festklammernd, zog er sich hinauf und nahm auf dem breiten Rücken Platz. Mux hüpfte schließlich vor ihm auf den Bären, und Leffel schlang den linken Arm um ihn, während sich seine Rechte weiterhin in dem braunen Fell verkrallte, um sich festzuhalten. Dicht über den warmen Körper gebeugt, setzten die beiden die Reise fort – als Reiter auf einem Bären, der noch vor wenigen Augenblicken ein Mensch gewesen war.
    Und Walkar behielt recht.
    Menschen und Koblinge vermochten Wind und Stürme aufzuhalten, aber keinen ausgewachsenen Bären. Den Kopf gesenkt, kämpfte sich das Tier Stück für Stück voran. Unter seinem dichten Fell arbeiteten stahlharte Muskeln, und indem er sich durch den tiefen Schnee wühlte, gelang es ihm tatsächlich, die unsichtbare Mauer zu überwinden. Der Aufstieg zum Gipfel ging weiter – dorthin, wo vor Urzeiten schon einmal über das Schicksal der Welt entschieden worden war.

 
    30
     
     
     
    Je näher sie jenem Ort kamen, den Muortis als aller Dinge Ende bezeichnet hatte, desto kälter wurde es, auch wenn dies inmitten der eisigen Kavernen von Urgulroth kaum noch möglich erschien. Auch das Schnauben, das Erwyn hörte, seit er in Urgulroth zu sich gekommen war, das heisere Stampfen und das grässliche Pfeifen wurden intensiver, bis das Eis in den Gängen davon klirrte. Bang fragte sich Erwyn, welche Schrecken ihn am Ende des Weges erwarten mochten…
    Knurrend ihre fürchterlichen Äxte schwenkend, trieben die Trolle ihn vorwärts, durch niedere Stollen und enge Schächte, die immer weiter in die Tiefe führten. Die Schicht aus Firn, die den Fels überzog, wurde beständig dicker, bis das Gestein darunter nicht mehr zu sehen war; dafür sah Erwyn im unwirklichen Licht Schneeflocken glitzern.
    Wie, in aller Welt, war das möglich?
    Der Junge hielt es für ein weiteres Zeichen von Muortis’ unüberwindlicher Macht, und er fragte sich, wie er jemals hatte glauben können, dem Herrscher von Urgulroth auch nur den kleinsten Funken Widerstand entgegensetzen zu können. Scherte es ein Fellhorn, wenn eine Mücke es stach?
    Wie einfältig und verblendet er gewesen war – und er kam nicht umhin, Yvolar zum Teil die Schuld daran zu geben. Was hatte der Druide ihm nicht alles versprochen, welche Hoffnungen hatte er ihm gemacht. Dabei hatte Muortis seine Pläne von Beginn an durchschaut. Resignierend musste Erwyn erkennen, dass Alpharts Misstrauen dem Druiden gegenüber berechtigt gewesen war, ebenso wie das des Drachen, der sich geweigert hatte, dem alten Druiden zu folgen.
    Hätte doch auch ich mich geweigert, sagte sich der Junge immer wieder. Wäre ich doch nur zu Hause in Glondwarac geblieben, statt mich auf ein Abenteuer einzulassen, dessen Scheitern von Anfang an feststand. Dann wäre ich jetzt nicht an diesem grässlichen Ort …
    Und sein über alles geliebter Vater wäre noch am Leben.
    Der Gedanke versetzte ihm einen Stich.
    Sie gelangten schließlich in eine Höhle, deren Decke von Eiszapfen übersät war. Tödlichen Speerspitzen gleich schwebten sie über ihnen, beleuchtet von blassgrünem Schimmern. Je niedriger das Felsengewölbe wurde, desto tiefer hingen sie herab, bis

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