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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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durch die Luft und blieb unterhalb der Augen stecken.
    Ein schmerzerfülltes Knurren zerfetzte die Nacht.
    Hinter ihm kletterte Lark vom Baum.
    Das Geschöpf fiel nicht. Er hatte es mit einem Giftbolzen getroffen, aber es fiel nicht.
    Die Augen fuhren auf, der Bolzen folgte, William erhaschte einen Blick auf ein Albtraumgesicht: blass, haarlos, zwischen länglichen Kiefern blitzte ein Wald aus Zähnen.
    Das Biest straffte seine mächtigen Hinterbeine und schickte sich an, seinen gewaltigen Leib über den Raum zwischen ihnen zu katapultieren. William schoss ein zweites Mal, dann sprang er ihm in den Weg.
    Der riesige Körper traf William mitten in der Luft. Als wäre er mit einem Lastwagen zusammengestoßen. William prallte gegen die Eiche, das Biest über ihm. Mit einem scharfen Ächzen presste es ihm die Luft aus den Lungen. Zwischen seinen Rippen flammte Schmerz auf. Zentimeter vor seinem Gesicht klaffte ein riesiges Maul und entließ eine Wolke stinkender Atemluft. Scheißding. William knurrte und fuhr dem Biest mit der Klinge über den Hals. Blut spritzte.
    Eine massive, muskulöse Pranke traf seinen Kopf. Die Welt wankte. Vor seinen Augen explodierten bunte Kringel.
    Ein weiterer Schnitt. Zwei Bolzen, zwei Schnitte in den Hals. Das Ding müsste längst tot sein.
    Der nächste Hieb beförderte ihn in einen trüben, wirbelnden Nebel.
    Halb blind stieß William dem Biest das Messer ins Fleisch und schloss seine Hand darum.
    Da traf ihn ein voluminöses Bein, umfing ihn wie mit Stahlklammern. William schüttelte den Kopf, packte das Messer. Der Wald glitt als verschwommene grüne Flecken an ihm vorbei – also bewegten sie sich. Das Biest hielt sich am Eichenstamm fest wie eine Eidechse, kletterte hinauf in die Baumkrone und zerrte ihn mit sich.
    William drehte sich, spreizte die Finger der linken Hand, stieß den Sleeper gegen eine Vene, die sich unter der blassen Haut der Kreatur abzeichnete, und drückte. Die Nadel stach in das Blutgefäß und spritzte den Inhalt der Kapsel in den Kreislauf. Ausreichend Schlafmittel, um einen erwachsenen Mann niederzustrecken.
    Die Kreatur knurrte und schüttelte ihn wie ein Hund eine Ratte. William knurrte zurück und stieß in rascher Folge auch die übrigen Nadeln in den Hals der Bestie: eine, zwei, drei. Dann klickte der Sleeper. Keine Munition mehr.
    Das Biest fauchte und ließ ihn los. In einem Schauer aus abgebrochenen Zweigen stürzte William nach unten. Dann ertasteten seine Finger einen Ast. Er packte zu, wobei er sich beinahe die Schulter ausrenkte, zog sich schwungvoll wie ein Turner hoch und ließ sich auf den Waldboden plumpsen.
    Er konnte wieder klar sehen und blickte nach oben. Über ihm kletterte das Biest vom Baum; verkehrt herum, mit dem Kopf voran, kam es den Baumstamm herab.
    Bolzen, Gift, Messer, genug Schlafmittel, um einen Sechshundertkilobullen aufzuhalten, und das Biest bewegte sich immer noch. William wich zurück.
    Das Vieh sprang auf die Erde, als der Mond durch die Wolken brach und es in silbernem Licht badete. Lang und mit harten Muskelsträngen ausgestattet, stand es auf vier massiven Läufen mit jeweils fünf dicken, krallenbewehrten Fingern. An der mächtigen Brust und den Flanken wuchs ihm in Büscheln struppiges braunes Fell, das am Becken dünner wurde, aber nicht ausreichte, um die runzlige, fleischfarbene Haut dort vollständig zu bedecken. Flache Knorpelkämme, die sich am schmalen Hinterkopf zu Knochenplatten verbreiterten, schützten die gekrümmte Wirbelsäule. Der lange, schlangenartige Schwanz zuckte und zog sich zappelnd zusammen. Im Hals klafften zwei tiefe, blutige Schnittwunden.
    So etwas hatte William in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen.
    Die Kreatur scharrte mit einer Krallenpranke die Erde auf und glich dabei mehr einem Affen als einem Hund. Die boshaften Augen funkelten William an. Das Fleisch um die Halswunden glänzte. Die Ränder schlossen sich, die Muskeln zogen sich zusammen, die Haut dehnte sich, und im nächsten Moment waren die Schnitte verschwunden. Nichts blieb als zwei dünne Narbenlinien.
    Verdammt.
    Das Maul der Bestie öffnete sich weit und weiter, wie der ausgehängte Kiefer einer Schlange. Gezackte Fangzähne schimmerten, feucht von schaumigem Geifer.
    »Hübsch.« William hob sein Messer und winkte mit den Fingern der linken Hand. »Komm näher. Ich werde dich nach allen Regeln der Kunst tranchieren.«
    In diesem Moment schoss ein blasser, pelziger Leib kläffend wie ein Höllenhund aus dem Unterholz.

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