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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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kontrollieren, musste er schon etwas Spezielles unternehmen, was bedeutete …
    Das Bild flatterte ihr aus der Hand. Cerise fuhr zurück. »Er will meine Mutter verschmelzen!«
    Durch Zorn und Panik färbte sich die Welt grellweiß. Ihre Stirn glühte, die Finger wurden eiskalt. Sie erstarrte wie ein bei etwas Verbotenem ertapptes Kind. Erinnerungen rauschten vorüber: Ihre Mutter, mit ihren blauen Augen und dem Lichtkranz weicher Haare, wie sie, mit dem Kochlöffel in der Hand, am Herd stand und etwas sagte, so groß … Wie sie Hand in Hand auf die Veranda hinausgingen, wie sie ihr die Haare auskämmte, wie sie ihr in einem Sessel vorlas und sie den Kopf an die Schulter ihrer Mutter schmiegte, der Duft ihrer Mutter, ihre Stimme, ihre …
    Oh, meine Götter. Vorbei. Aus und vorbei. Ihre Mutter gab es nicht mehr. Ihre Mutter, die alles wieder hinbekam, würde das hier nie wieder hinbekommen. Die Verschmelzung war unumkehrbar. Sie war fort. Fort .
    Nein, nein, nein, nein .
    Ein vernichtendes Gewicht wuchs in Cerises Brust und wollte sie auf den Boden hinabziehen. Sie stemmte sich gegen den Schmerz, dass es ihr die Kehle zuschnürte, und zwang sich zu gehen, halb blind unter Tränen. »Ich muss jetzt allein sein, wo mich niemand sieht.«
    Hände hoben sie auf. William trug sie fort, fort von Tante Pete und den Küchengeräuschen, zur Tür, die Treppe hinauf, in ihre Kammer. Ihr Gesicht war tränenfeucht, und sie verbarg es an seiner Schulter. Er nahm sie, wiegte sie in seinen warmen Armen und sank mit ihr zu Boden.
    »Sie verschmelzen meine Mutter.« Ihre Stimme klang erstickt. »Sie verwandeln sie in ein Monster. Und sie bekommt alles mit. Sie weiß genau, was sie mit ihr machen. Die ganze Zeit.«
    »Ruhig«, flüsterte er. »Ganz ruhig. Ich halte dich.«
    Mutters wunderbares Lächeln. Ihre warmen Hände. Ihre lachenden Augen. Ihr »Ich hab die närrischsten Kinder«. Ihr »Süße, ich hab dich lieb«. Ihr »Du bist so hübsch, mein Schatz«. Nichts mehr davon. Es gab keinen Abschied und keine Rettung. Die vielen Toten, die ganze Plackerei, alles umsonst. Mutter würde nie mehr zu ihr und Lark zurückkehren.
    Cerise vergrub das Gesicht in Williams Halsbeuge und weinte tonlos, während der Schmerz mit den Tränen aus ihr herausströmte.
    Cerise öffnete die Augen. Ihr war warm, sie fühlte sich wohl und hatte irgendwas Festes im Rücken. Sie regte sich, hob den Kopf und blickte in zwei haselnussbraune Augen.
    William.
    Sie war wohl eingeschlafen, total in ihn verheddert. Sie saßen auf dem Boden, wo er sich niedergelassen hatte. Er hatte sich kein Stück bewegt.
    »Wie lange sitzt du schon hier?«, fragte sie.
    »Ungefähr zwei Stunden.«
    »Du hättest mich absetzen sollen.«
    Sie zappelte ein bisschen, doch er ließ seine Hände, wo sie waren. »Kein Problem. Ich halte dich gern.«
    Cerise lehnte sich gegen ihn und bettete den Kopf an seine Schulter. Zuerst versteifte er sich, doch dann zog er sie enger an sich.
    »Sehe ich sehr schlimm aus?«, fragte sie.
    »Ja.«
    Typisch William. Nur keine Lügen.
    Das weiche Lampenlicht erhellte sanft ihr Versteck. Es kam ihr nun zum Erbarmen vor. An den Wänden die Bilder toter Menschen. Abgewetzte Sessel. Sie zog sich hierher zurück, seit sie ein Kind war, aber jetzt sah sie die Kammer wie zum ersten Mal. Es hätte sie traurig gemacht, wenn noch ein Rest Traurigkeit in ihr gewesen wäre. Aber sie hatte sich ausgeweint.
    »Ich muss es Lark erklären.« Bei dem Gedanken sank ihr der Mut. »Dabei weiß ich nicht mal, ob mein Vater noch am Leben ist oder nicht.«
    Ihre Stimme bebte, und William drückte sie an sich.
    »Kennst du Larks Baum?«, fragte er behutsam.
    Sie nickte: »Der Monsterbaum.«
    »Was ist ihr zugestoßen?«
    Cerise schloss die Augen und schluckte. »Sklavenhändler. Ich kann nicht mal sagen, wo sie herkamen. Wir haben es nie herausgefunden. Irgendwer muss sie über die Grenze reingeschleust haben. Celeste, meine andere Cousine, und Lark, die damals noch Sophie hieß, brachten Wein auf dem Fluss nach Sicktree runter. Und Lark wollte ein Geburtstagsgeschenk für Mom besorgen …«
    Die Worte blieben ihr im Hals stecken.
    »Also setzte Celeste Lark in ein Boot, um irgendwelchen Plunder gegen eine Kiste Wein einzutauschen. Sie schossen Celeste in den Kopf. Erledigten sie mit einer einzigen Kugel. Sie fiel über Bord, Lark hinterher. Als sie hochkam, um Luft zu holen, schlugen die Sklavenhändler sie mit einem Ruder bewusstlos. Dann nahmen sie sie mit in ihr Lager im

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