Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Moor und steckten sie in ein Erdloch. Abends lief es voll Wasser, sodass sie bis über die Knie im Wasser sitzend schlafen musste. In einer anderen Haltung wäre sie ertrunken. Wir haben alles auf den Kopf gestellt, um sie zu finden. Alles mit Hunden durchkämmt.«
Sein Arm umschlang sie fester.
»Sie sagte, am zweiten Tag sei einer der Kerle zu ihr ins Loch gestiegen. Wahrscheinlich um sie zu belästigen. Vielleicht hat er’s versucht, zumindest ein Stück weit. Aber Lark kann ein bisschen Blitze schleudern. Sie kann noch nicht gut zielen, dafür aber kräftig und weiß. Sie hat ihm einen Blitz durch die Augen gejagt.«
»Und sein Gehirn verschmort«, sagte William.
»Ja-ah. Die Sklavenhändler ließen den Toten, wo er war, und gaben ihr nichts mehr zu essen. Wir haben sie erst nach acht Tagen gefunden, und das hatten wir allein Großmutter zu verdanken. Sie war eine Woche zuvor in den Sumpf aufgebrochen – sie macht das jedes Jahr –, und als sie zurückkam, hat sie, so wie ich gestern, Raste Adir beschworen. Hat dabei einen der toten Sklavenhändler benutzt, den wir in der Gefriertruhe aufbewahrten. Eigentlich hätte ich das machen müssen, aber ich wusste damals noch nicht, wie’s geht.«
Cerise schluckte. »In dem Lager stießen wir überall auf Erdlöcher und Kinder, einige von ihnen tot – die Sklavenhändler gingen nicht sehr pfleglich mit ihrer Handelsware um.«
»Habt ihr sie getötet?« Williams Stimme war ein raues Knurren.
»Oh, ja. Wir haben keinen am Leben gelassen. Wenn wir genug Zeit gehabt hätten, hätte ich jeden Einzelnen von diesen Scheißkerlen gefoltert. Als wir Lark aus diesem Loch zogen, war sie schon sehr schwach, aber am Leben. Immerhin konnte sie alleine stehen. Nach sieben Tagen ohne Essen hätte sie eigentlich schwächer sein müssen.«
Cerise schloss die Augen. Ihm das alles zu erzählen war, als würde sie alte Wunden aufreißen.
»Meinst du, sie hat den Toten gegessen?«, fragte er.
»Keine Ahnung. Ich habe nicht gefragt, war nur froh, dass sie noch lebte. Aber danach verhielt sie sich seltsam, William. Los ging’s mit ihren Haaren und Kleidern, später lief sie dann in die Wälder und hörte auf zu sprechen. Und dann kam der Monsterbaum. Mutter war die Einzige, der sie noch traute. Und jetzt bin nur noch ich übrig.«
»Es gibt in den Wäldern wirklich ein Monster«, sagte William. »Es ist auf Lark losgegangen, und ich habe mit ihm gekämpft.«
Sie hob den Kopf. »Was meinst du mit einem Monster? Einen der Freaks von der Hand?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Wie sah es denn aus?«
William verzog das Gesicht. »Groß. Langer Schwanz. Wie eine riesige Eidechse mit Fellbüscheln hier und da. Ich habe es aufgeschlitzt, aber es hat sich vor meinen Augen erholt.«
Verdammt.
Er sah sie an. »Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber deine Großmutter weiß Bescheid. Sie hat ihm ein gallisches Schlaflied vorgesungen.«
Großmutter Azan? »Und das hast du für dich behalten?«
Er hob die freie Hand. »Ich war mir nicht sicher, ob das Biest nicht vielleicht ein Haustier, ein Freund der Familie, ein entfernter Verwandter oder womöglich noch ein Cousin war … sag Bescheid, wenn’s wärmer wird.«
Cerise befreite sich aus seiner Umarmung. »Das ist kein Haustier oder Verwandter! Keine Ahnung, was das verdammt noch mal ist! Ich hab noch nie was davon gehört.«
»Frag deine Großmutter.«
»Die schläft jetzt bestimmt. Sie hat heute anstrengende Magie gewirkt und muss sich die nächsten Tage davon erholen.«
Cerise sank nach vorne. Seine Hand glitt über ihren Rücken, massierte die müden Muskeln, die Wärme seiner Finger besänftigte sie durch ihr Hemd. Er streichelte sie wie eine Katze. »Wärst du sehr sauer, wenn ich das Biest umbringe?«
»Wenn es uns angreift, schneide ich es eigenhändig in Stücke«, teilte sie ihm mit.
Seine Hand verirrte sich abwärts, und er zog sie weg. Er hatte sich wieder in der Gewalt. Die rasende Kreatur, die sie heute Morgen gesehen hatte, verbarg sich nun wieder.
Cerise lehnte sich gegen ihn. Er schlang den Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Er war stark und warm, in seinen Armen zu sitzen war Balsam für die wunde Leere in ihrem Innern.
»Als ich zwanzig war, lernte ich einen Mann kennen«, erzählte sie. »Tobias.«
»Hängt von ihm auch ein Bild an deiner Wand?«, wollte er wissen, und sie vernahm ein unterschwelliges Grollen in seiner Stimme.
»Oben links.«
Mit grimmigem Gesicht drehte er sich
Weitere Kostenlose Bücher