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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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fünfzig lang. Manche von den alten Burschen werden sogar bis zu neun Meter. Wir nennen sie Evaurgs . Große Fresser.«
    Lord Bill wirkte unbeeindruckt. Hmm.
    Cerise reizte ihn noch ein wenig weiter. »Das Problem mit den Evaurgs ist, dass sie nicht wie normale Tiere sind. Wenn man einen Hund füttert, bleibt er brav sitzen und wartet darauf, dass man ihm was zu fressen gibt. Wenn man eine Moorkatze füttert, reißt sie einem den Happen aus der Hand. Aber einen Mooralligator zu füttern ist, als hielte man einer riesigen, rasiermesserscharfen Heckenschere etwas hin. Gerade hat man noch einen halben Kuhkadaver an einem Haken übers Wasser gehalten, schon schießt ein gewaltiges Maul heraus und …« Sie schnippte mit den Fingern. »… das Fleisch ist weg. Kein Ziehen, keine zusätzliche Belastung, nichts. Bloß das Maul und ein leerer Haken.«
    »Dann hat’s wohl wenig Sinn, die Biester zu füttern«, meinte William.
    »Wir brauchen das Leder. Ein neun Meter langer Evaurg liefert eine Menge Leder, aber die Haut ist dermaßen hart, dass man nichts daraus machen kann. Man könnte ein Boot damit auskleiden, doch abgesehen davon kann man nicht viel damit anfangen. Aber wenn sie jung sind, ist ihr Leder noch weich; deshalb züchten Lederhändler die Tiere auf Alligatorenfarmen wie Kühe und töten sie mit vergiftetem Fleisch, ehe sie zu groß werden. Das Leder von Mooralligatoren ist einer unserer raren Exportartikel.«
    »Es muss Sie echt fertiggemacht haben, mal einen Tag lang die Klappe zu halten.«
    Gut aussehend, unheimlich, und ein Arschloch. Was von einem verwöhnten, reichen Blaublütigen aus dem Weird nicht anders zu erwarten war. Sie stellte sich vor, ihm mit ihrer Stange eins über den Schädel zu ziehen, und strahlte ihn an.
    Seine Augen wurden schmal. »Ah, kapiert. Sie haben den Mund gehalten, damit man Ihre Zähne nicht sieht.«
    Und schlau. Obdachlose hatten keine guten Zähne. Kaldar hatte ihr das vor ihrer Abreise eingebläut.
    Allerdings wäre Cerise ein dummer Lord viel lieber gewesen als dieser Schlaumeier – Schlaumeier bedeuteten Ärger –, aber letztendlich war das auch egal. Sie hatte ihm ihr Wort gegeben, und sie würde es halten. Sie würde ihn nach Sicktree bringen und schneller dort absetzen, als er blinzeln konnte. Bis dahin musste sie den Mann allerdings im Auge behalten und durfte sich nicht allzu weit von ihrem Schwert entfernen.
    Der Sumpf glitt vorüber, zugleich wild und schön. Es war einige Monate her, seit Cerise diesen Weg zum letzten Mal genommen hatte, doch sie erinnerte sich noch gut daran. Sie war Kaldars Lieblingskomplizin bei seinen Ausflügen ins Broken. Er hatte so sehr darauf gedrungen, nach Onkel Rufus zu suchen, dass nicht mal sie ihn zurückhalten konnte. Dazu hatte es Richard bedurft. Der runzelte nur die Stirn, und Kaldar gab klein bei.
    Cerise schaute zum Himmel. Bitte, pass gut auf alle im Rattennest auf . Bitte . Einer musste sie in Sicktree treffen, um sie zum Haus zurückzubringen, und sie hatte sich breitschlagen lassen, dass Urow das übernahm, da er als der beste Rolpie-Treiber der Familie galt und so lange auf dem schlechten Gewissen der Familie herumritt, bis sie weich geworden war. Urow war schwierig. Ein großer, starker Kerl, der sich schon deshalb für einen guten Kämpfer hielt. Außerdem hatte er einen Komplex, was seine Einbindung in die Familie anging. Sie hätte Nein sagen sollen, aber ihr war klar, dass er dann am Boden zerstört gewesen wäre, also hatte sie schließlich Ja gesagt. Doch jetzt bezahlte sie diese Entscheidung mit einem ganzen Bündel zerrütteter Nerven.
    Andererseits würde Urow mit einem Boot und einem guten, schnellen Rolpie auf sie warten, wo sie schon jetzt spät dran war. Sie würde sein Boot und seinen Irrsinn als Treiber brauchen, wenn sie rechtzeitig wieder im Rattennest erscheinen wollte.
    Cerise strich über ihre Jacke, sie fühlte das steife Päckchen mit den Papieren darin. Alles noch da. Geduld, Mom und Dad, ich komme .
    Die Frau lag zusammengerollt wie ein Fötus auf dem Boden. Spider seufzte. Ihre Haut hatte eine ungesunde grünliche Färbung angenommen. Die Patina aus Blutergüssen an ihren Beinen und Armen machte die Sache nicht besser. Wenn es um Folter ging, war er seit eh und je ein Anhänger größtmöglicher Schmerzen bei minimalen Schäden – schließlich wollte er ihren Willen zerbrechen, nicht ihren Körper –, daher hatten ihre Sitzungen nur äußerst leichte Verletzungen hinterlassen. Doch

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